Die Namensvetterin: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
man mir vielleicht eine gewisse Brutalität ab.«
»Komm, setz dich.«
Phillip schob ihr einen Sessel in die Knie, Maria plumpste äußerst unelegant hinein.
»Ja, also eigentlich wollte ich nur noch einmal persönlich mit Ihnen über den Fall Stein sprechen …«
»War mein Bericht nicht übersichtlich?«
»Oh doch, Herr Roth. Aber ich dachte mir … der Fall … nun, er benötigt doch eine gewisse Sensibilität … nicht, dass ich damit sagen will, dass Sie, liebe Frau Kouba, dieselbe nicht besitzen würden, nein, natürlich nicht, aber ich war gerade auf dem Weg zum Kaffeeautomaten und …«
»Ja, das wundert mich, ich habe Sie auch schon gestern dort gesehen, ist Frau Eisenstein etwa krank?«
Maria musste, trotz der inzwischen rot gewordenen Sternchen, innerlich über Phillips – gut naiv vorgebrachte – Provokation lächeln. Es war das Gesprächsthema im Haus. Die gute alte Eisenstein, seit fünfzehn Jahren Sekretärin vom Gottl, war beleidigt. Gottl hatte unlängst einen Tippfehler entdeckt und sie deswegen gepflanzt. Das hätte er nicht tun sollen, denn sie hatte diesen Fehler nur gemacht, weil ihre Tochter ihr mitgeteilt hatte, ein Kind von einem Mann zu bekommen, dessen Namen sie nicht verraten würde. Und jetzt war es nicht so, dass die Eisenstein gewisse Dienste wie Kaffee holen verweigert hätte, nein, Gottl stand dermaßen unter ihrer Fuchtel, dass er sich für diese Beleidigung quasi selbst bestrafte und schon seit einer Woche den Kaffee selbst holte.
Gottl schickte tödliche Pfeile in Richtung Phillip. Er wurde auch leicht rot, weil er natürlich wusste, dass es alle wussten.
»Lieber Herr Roth, Gott sei Dank nicht. Nein, ich dachte nur … man müsste ein bisschen … ein bisschen mit dem diskriminierenden Umgang mit Sekretärinnen aufräumen. Diese Damen, diese goldenen Perlen möchte ich schon fast sagen, haben doch nun wirklich genug zu tun, und ein bisschen Bewegung schadet mir keineswegs.«
»Herr Mühle, das finde ich großartig. Diesem Ihrem Beispiel sollten wirklich einige Kollegen im Präsidium folgen. Ich für meinen Teil praktiziere das ja auch bereits, ich besorge für Frau Kouba immer den Kaffee.«
»Ich bin ja auch deine Chefin.«
»Ach ja, dann solltest du vielleicht das nächste Mal …?«
»Och, in dem Punkt bin ich sehr konservativ.«
»Gut, gut, lassen wir das Geplänkel, Kollegen. Was mich interessieren würde, warum verhaften Sie nicht einfach den Dornhelm. Es sieht doch alles danach aus, dass er es war.«
Maria öffnete nun erstmals wieder die Augen. Warum hatte es der Gottl so verdammt eilig, den Fall abzuschließen? Der Mord war noch nicht einmal zwei Tage her, aus dieser Zeitspanne konnten ihnen nicht einmal die Zeitungen einen Strick drehen. Phillip antwortete anstatt ihrer, in dem gleichen süßlichen Tonfall wie gerade eben.
»Herr Mühle, wir nehmen uns nur Ihren eisernen Grundsatz zu Herzen und warten auf … Fakten. Und die werden wir heute Mittag bekommen, aber das steht ja eh in meinem Bericht. Sie sind natürlich der Erste, den wir verständigen werden … noch vor uns selber.«
»Herr Roth, wir teilen nicht die gleiche Art von Humor. Also … also gehe ich jetzt um meinen Kaffee. Ich erwarte Berichterstattung um Punkt ein Uhr.«
Die Tür fiel krachend zu. Gottl öffnete erneut.
»Tut mir Leid, Frau Kouba. Ich hoffe, Sie erholen sich bald.«
Nun schloss er die Tür mit festem Druck, jedoch lautlos. Sie starrten ihm fassungslos nach. Maria wischte sich die Schmerzenstränen von der Wange.
»Er ist eindeutig verwirrt. Weißt du jetzt, was ich meine?!«
»Also wenn ich’s nicht besser wüsste, weil ich es dem Gottl nicht zutraue, würde ich sagen, er ist auch ein Stammgast.«
»Na, wir werden das schon noch herausfinden. Seine schiefen Zähne sind ja ziemlich markant.«
Überraschenderweise hatten sie bis nach Mödling, wo der Moser seine Villa hatte, keinen Stau – obwohl es Freitag war. Das musste wohl an der frühen Uhrzeit liegen. Als sie sich dem Villenviertel näherten, holte Maria aus ihrer Handtasche ihre Lesebrille und setzte sie auf. Dann öffnete sie ihre Haare und legte das Handy griffbereit zuoberst in die Tasche.
»Was wird das?«
»Och, als alte Freundin von dem Moser, beziehungsweise als befreundetes Pärchen vom Ehepaar Moser … wir haben uns übrigens beim letzten … äh, Ärzteball in der Hofburg kennen gelernt … dachten wir, dass wir … ja, dass wir, wenn wir schon einmal in Wien sind, denn wir
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