Die Nanokriege 4 - Die Flucht
zuerst zuschlagen, hängt ganz von der Verteilung unserer Einsatzkräfte ab.«
»Deshalb hatte das erste Team für die erste Welle ausschließlich Soldaten vorgesehen«, sagte Krief und deutete mit einer Kopfbewegung auf ihre Papiere.
»Stimmt. Und sie wollten nach der Kommandozentrale bohren, ganz gleich, wo sie waren. Sofern wir nicht in der Nähe der Kommandozentrale ankommen sollten, werde ich nach dem einen Punkt bohren, der eigentlich allen gleichgültig sein sollte.«
»Wo?«, fragte Van Krief und strich mit der Hand über den Plan. »Maschinenraum?«
»Nee«, sagte Herzer. »Wartungsbereich.«
11
Chansa wartete bereits in dem von Reflexen durchbrochenen Schatten der Säulenhalle, als Reyes auf ihn zukam.
Das Treffen hatte notgedrungen in Celines Herrschaftsbereich stattfinden müssen, da persönliche Anwesenheit erforderlich war und Celine sich strikt weigerte, das Niratal zu verlassen. Sie hatten sich schließlich als Treffpunkt auf einen antiken Tempel geeinigt, der nur noch eine Ruine gewsen war und den man jetzt fast im ehemaligen Glanz wiederhergestellt hatte, ein Gebäude aus mächtigen Säulen, die ein massives und mit vielen Schnitzereien geschmücktes Dach trugen. Seitlich stand das auf einer Bergkuppe errichtete Gebäude den heißen, trockenen Winden offen, und nach Osten schweifte der Blick über scheinbar endlose Wüstenflächen. Im Westen konnte man ein von Bewässerungsgräben durchzogenes Flusstal mit grünen Ufern sehen, an das wiederum im Westen eine weitere Erhebung und Wüste angrenzten.
Jedes Ratsmitglied des Neuen Aufbruchs hatte Anspruch auf weite Ländereien erhoben, aber der von Celine war relativ bescheiden gewesen; sie kontrollierte nur das Niratal, aber dafür gehörte es auch auf eine Art und Weise ihr, wie das Chansa beispielsweise für Frika, das nominell ihm gehörte, nicht behaupten konnte. Er hatte sich nur einen kurzen Blick auf die Umgebung gestattet, aber Celines Handschrift war dennoch deutlich zu erkennen.
Celine Reinshafen war eine ziemlich klein geratene Frau mit dunkelbraunem Haar, deren Haut von der Wüstensonne gebräunt
war. Wenn man von dem Schlüssel absah, den sie um den Hals trug, wirkte sie auf den ersten Blick völlig normal. Wenn man freilich ihre Augen sah, konnte man klar erkennen, dass sie nicht länger dieser Welt angehörte. Sie war die erste Konstrukteurin »spezialisierter Bios« des Neuen Aufbruchs, die selbst Chansa inzwischen als »Monstren« bezeichnete. Celine nannte sie ihre »Tierchen«. Die Orks und Oger, die den Löwenanteil der Streitkräfte Chansas ausmachten, waren ursprünglich in Celines Labors entwickelt worden. Celines Kopf hatte die Methoden ausgeheckt, denen die schrecklich gewandelten Elfen ihre Existenz verdankten, gleichsam eine moderne Athene. Tausende von ihnen wuchsen in der Dunkelheit heran, in düsteren Kavernen, wo unheimliche Fungusgewächse widerwärtigen Abfall verdauten und damit die Schoten speisten. Celine hatte sich spezialisierte Mörder-Bios ausgedacht, Modifikationen von Drachen, die sie besonders geeignet für den Kampf machten, all die Monstren, die die Waffen des Neuen Aufbruchs im Krieg darstellten.
Und im Gegensatz zu Chansa und Reyes erschien sie, ohne von einem Feld geschützt zu sein. Bei solchen Zusammenkünften überlegte Chansa manchmal, ob es nicht besser wäre, sie aus der Welt der Lebenden zu entfernen, malte sich aus, wie er blitzschnell das Schwert aus der Scheide zog und ihr den Kopf abschlug, eine Wunde, die nicht einmal Mutter heilen würde.
Aber es kam nie zur Tat. Zum einen wusste er, dass er Celine brauchte. Die Freiheitskoalition hatte in zu vielen Schlachten den Sieg davongetragen, als dass der Aufbruch auf irgendeinen Vorteil hätte verzichten können. Zum anderen bezweifelte er, dass sie ungeschützt war, und wusste instinktiv, dass er, Chansa, niemals überleben würde, falls er es schaffen sollte, sie zu töten.
Im Gegensatz zu Chansa, der in einer Energierüstung erschienen war, war Reyes der Witterung gemäß mit einem
leichten Hemd und rosa und grün gemusterten Shorts bekleidet. Er war ein schlanker, drahtiger Mann mit einer dichten blonden Mähne und einem Gesicht, das eher schön als hübsch war; schmal, mit einem beinahe zarten Kinn, hohen Backenknochen und vollen, roten Lippen. Er sah aus wie ein Engel, der gerade dem Gemälde eines Renaissance-Meisters entstiegen war. Neben ihm wirkte Chansa wie ein riesenhafter Troll.
Chansa wusste, dass sich hinter dem unschuldigen
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