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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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mitlachen oder lieber nicht lachen sollte. Die Vorstellung, daß ihm noch einmal ein Gebäude auf den Kopf fallen könnte, schien ihm eher nicht zu gefallen.
    Quintzi starrte Goldfyschers Backenzähne an. Es wurde ihm beinahe schlecht, als er diese stummen Zeugen dental abträglicher Ernährungsgewohnheiten sah: fettes Essen und schwerer, zahnschmelzschädigender Wein hatten unübersehbare Spuren hinterlassen.
    »Wann waren Sie eigentlich das letzte Mal beim Zahnarzt?« fragte er so ungezwungen, wie es ihm eben möglich war. Goldfyscher war von diesem Themawechsel überrumpelt.
    »Zahnarzt?« stotterte er. Plötzlich war ihm unbehaglich zumute.
    »Ich will mich ganz bestimmt nicht in Ihre Gepflogenheiten bezüglich Mund- und Zahnpflege einmischen, aber ich denke, Sie sollten sich unbedingt um einen Termin kümmern. Und zwar schleunigst!« bemerkte Quintzi drohend und stocherte sich im Ohr herum, um die Nanos auf Trab zu bringen. »Es ist natürlich ganz allein Ihre Sache. Ich bin allerdings felsenfest davon überzeugt, daß Sie – sollten Sie Ihre gegenwärtigen Gewohnheiten nicht ändern –, unweigerlich enorm scheußliche Zahnschmerzen bekommen werden.«
    »Ist da jetzt eine Prophezeiung«, höhnte Goldfyscher, »oder eine Drohung?«
    »Beides!« erklärte Quintzi. Er hoffte nur, daß die Nanowichte auch zuhörten. »Ich sehe voraus, daß Ihr Mund in weniger als einer Minute ein Ort höllischer Qualen sein wird. Das ist eine Prophezeiung!«
    »Und dein Gesicht wird eine gründliche Neugestaltung nötig haben«, drohte ihm Goldfyscher und ballte die Fäuste. Er bemerkte nicht, daß in diesem Moment drei winzige Lichtpünktchen einen Entschluß faßten und auf diverse, aufs Geratewohl gewählte Eck- und Backenzähne lossausten. Dieses eine Mal würde es sich wenigstens lohnen, wenn sie Quintzi in Schutz nahmen. Immerhin hatte er ihnen eine weitere Mahlzeit versprochen.
    Doz Ysher trat ängstlich einen Schritt zurück: Das Grinsen, das über Quintzis Gesicht huschte, wirkte beunruhigend siegessicher. Die drei Nanowichte verschwanden in den Zähnen von Goldfyscher, steuerten jeder einen Nervenstrang an und gingen zum Angriff über.
    »…kenn da einen guten Metzger, der’s dir ganz prima besorgen kann«, fauchte Goldfyscher. »Wird gar nicht lange dauern, und du siehst aus wie neu …« Seine Hand fuhr an die Wange … Magische Kiefer schnappten nach blankliegenden Nervensträngen und begannen gnadenlos zu knabbern. Innerhalb von Sekunden wummerten in seinen Backenzähnen die dumpfen Hammerschläge der Höllenqual, tobten in den Schneidezähnen brennende Schmerzen, scharf wie Lanzenstiche, trat urplötzlich das kataklystische Ende des chronischen Verfalls ein – und zwar in eingeklemmten Weisheitszähnen, von deren Existenz Goldfyscher noch gar nichts gewußt hatte. Die Wurzelkanäle standen in Flammen, entzündet durch das Napalm des prophylaktischen Vergeltungsschlags.
    Doz Ysher sah mit Entsetzen, wie Goldfyscher zusammenbrach, wie er sich unter bukkalen Folterqualen am Boden wand, wie er wild mit den Beinen um sich schlug und verzweifelt den Kopf umklammerte.
    »Schon mal Probleme mit eingewachsenen Zehennägeln gehabt?« fragte Quintzi und visierte dabei angelegentlich den rechten Fuß des Buchmachers.
    »N … nein!« wimmerte der vormalige Besitzer des Wettforums, der im Geist gräßliche Bilder von wunden, entzündeten Füßen vor sich sah.
    »Gut«, grunzte Quintzi. »Ich prophezeie Ihnen die fortgesetzte und noch lange Zeit andauernde Absenz jedweden durch das Tragen von Socken induzierten Leids. Vorausgesetzt, Sie lassen sich hier nie mehr sehen und sorgen dafür, daß jedermann von der gewaltigen Macht der Self-fulfilling prophecy und dessen erfährt, der sie ausübt!« Grinsend stieg er über den brüllenden Harry Goldfyscher hinweg. »Und denken Sie daran: Ich werde immer wissen, ob Sie dafür gesorgt haben! Und ich werde ebenfalls immer wissen, wenn Sie es nicht getan haben. Denn ich weiß immer, wo Sie hingehen wollen, noch bevor Sie selbst das wissen. Vergessen Sie eines nie: Jede Prophezeiung ist eine Gefahr, die nicht nur droht, sondern über kurz oder lang auch besteht!«
    Quintzi lachte, meckernd und irr und bebend vor Siegesgewißheit. Er marschierte zur Tür hinaus, ging die Treppen hinunter und machte sich auf den Weg ins Stadtzentrum von Guldenburg.
     
    Hätte Hogshead die Möglichkeit gehabt, mit Harry Goldfyscher zu tauschen, er hätte keine Sekunde gezögert. Was waren schon

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