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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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auftun und ihn verschlingen.
    »Was hast’n du da im Wald rumzuschleichen, hä?« knurrte Ellis Dee, der hinter Praquat stand.
    ›Ja, also, ich hab Sie beobachtet, wie Sie etwas Komisches mit dem Ding da gemacht haben, das der da im Rucksack gehabt hat, und habe gemeint, ob Sie mir das vielleicht freundlicherweise erklären könnten‹, hätte Hogshead beinahe losgelegt. Aber weil er den Verdacht hatte, der Kerl mit den feschen Dolchen könnte das aus irgendeinem Grund falsch auffassen, stotterte er: »Ich … ich hab mich verirrt.« Und dabei versuchte er, schrecklich mitleiderregend dreinzuschauen. Was ihm unter den gegebenen Umständen nicht sonderlich schwerfiel.
    »Wie?« fragte Ellis Dee. Die Frage traf Hogshead unvorbereitet. Mit dieser Reaktion hatte er nicht gerechnet. Obwohl er andererseits auch nicht sagen hätte können, mit welcher Reaktion er eigentlich gerechnet hatte.
    »Ähmmm, hoffnungslos verirrt«, sagte Hogshead ausweichend und zuckte ein bißchen mit den Achseln.
    »Und wie lange irrst du nun schon im Zustand desolater Desorientierung umher?« säuselte Ellis Dee und blickte Hogshead über die Ränder seiner kleinen runden Brillengläser hinweg an, ganz so, wie alle Lieferanten pflanzlicher Pharmaka und Muntermacher zu blicken pflegen.
    »Ahmmm, schon ewig.« Hogshead überlegte, wie lange er schon marschiert war und ob er wohl wieder zu seinem Zelt zurückfinden würde. Da kitzelte es ihn in der Nase, seine Lippen zuckten, und … er nieste.
    Ellis Dee fuhr erschrocken zurück und wurde bleich. »Junge, Junge! Jetzt verstehe ich, warum du zu mir gekommen bist!«
    »Tat … tatsächlich?« Hogshead zitterte aufgeregt und wischte sich die Nase am Ärmel ab.
    »Natürlich. Sobald ich einmal diesen Schupfen kuriert habe, kannst du die Feinheiten des Lebens in vollem Umfang genießen. Bei mir bist du an der richtigen Adresse!« Ellis Dee schob das Dickicht zur Seite, hinter dem sich wie hinter einem Vorhang eine ausgedehnte Lichtung verbarg, die mit Zelten, Baumhäusern und hastig zusammengeklopften Hütten übersät war. Ein berauschender Mief stieg Hogshead in die Nase, ein schwerelos schwebendes Rauchfähnchen, das sich von der dichten Wolke gelöst hatte, die von den zahllosen Selbstgedrehten aufstieg, die wie Leuchtkäfer zwischen den Lippen der örtlichen Einwohnerschaft glühten. Hogshead zog die Oberlippe hoch und atmete unwillkürlich ein. Und dann gleich noch einmal. Beim dritten Zug platzten ihm beinahe die Lungen. Und dann …
    Er prustete los, dröhnend wie ein Kanonenschlag.
    Ellis Dee schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. »Allerhöchste Zeit«, sagte er und führte Hogshead in sein Königreich. Formeln und Mixturen schwirrten ihm durch den Kopf, geeignete Rezepturen, um Hogsheads Nasalbeschwerden zu lindern. Eine großartige Herausforderung!
    Woher Hogshead eigentlich kam, das kümmerte Ellis Dee nur mäßig, für Herkunft und Abstammung seiner Gefolgschaft hatte er sich noch nie sonderlich interessiert. Auch deswegen nicht, weil der Großteil seiner Anhänger diesbezüglich selbst nicht die leiseste Ahnung hatte. Das Gefühl, irgendwo verwurzelt zu sein, verflüchtigt sich irgendwann, wenn man ein Leben lang herumstromert.
    Sie marschierten über die Lichtung, passierten im Geschwindschritt eine Ansammlung bedöster Individuen, die ihnen – unzeremoniell gelockert aber durchaus respektvoll – unablässig zuwinkten, und waren schon bald an ihrem Ziel angekommen, dem Laboratorium. Ellis Dee trat gegen die Tür und stampfte hinein. Er wies Hogshead einen Stuhl an, war dann mit einem Satz an einem mit allerlei Ingredienzien gefüllten großen Schrank und hielt ihm nach wenigen Sekunden schon ganze Hände voll Wurzeln und Knollen, zerstoßene Blätter und seltsame Pulver unter die Nase, und kommentierte die jeweiligen Reaktionen mit kritischem Gebrummel oder beifälligem Genuschel. Schließlich warf er ein paar Dutzend Pflanzenextrakte in ein hohes Glas, rührte gründlich um und hielt Hogshead das fertige Gebräu hin.
    »Trinken«, sagte er. Hogshead wurde beim Anblick der klumpigen Mixtur speiübel. Das Zeug erinnerte ihn an jenen drei Monate alten Joghurt, der ihm unglücklicherweise einmal in stockfinsterer Nacht untergekommen war.
    »Damit wirst du deinen Schnupfen los.« Ellis Dee bestand darauf. Und grinste wie einer, dem es nicht in erster Linie um die Behebung eines medizinischen Problems zu tun war. Praquat und Zhaminah starrten ihn gespannt an, ein brennendes Verlangen

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