Die Nanowichte
einmal gelingen sollte, jenes Ding zu finden, mit dem man den- oder diejenigen, die man ultimativ abschrecken wollte, ultimativ abschrecken konnte. [9]
Und dann war da noch die Sache mit dem Geld und dem Arbeitslohn. Angesichts der inexistenten Lohntüten, die jeder in Losa Llamas am Monatsende erhielt, galt es als erwiesen, daß selbst die Administration das Geheimnis der Lohntüten nicht kannte.
Und deshalb – um das schrundige, ausgedörrte Bett des Profits zu bewässern, um das Bächlein Cashflow wieder zum Sprudeln zu bringen – war Apathos vor ein paar Wochen in die Welt hinausgezogen, gerüstet mit einhundert Hellseherkugeln und einem gutsortierten Vorrat mörderischer Klinkenputzertexte.
»Hallo, da bin ich wieder!« schrie er erneut und wurde von seinem Pferd gestupst, das auf der Stelle eine zweite Portion Zucker haben wollte.
»Wurde aber auch Zeit!« knurrte ein untersetzter Mann, der einen langen dunklen Mantel trug und über den Augen zwei formidable Bürsten sitzen hatte. Wütend kam er aus einer finsteren Ecke auf Apathos zugestampft.
»Stimmt, Praxx. Es ist schön, wieder zu Hause zu sein!« Apathos führte den selbsternannten Chef in Sachen Losa Llamas zu seinem Wagen, der unter der Last der Ladung fast in die Knie ging. »Einhundert Wahrsagerkugeln versilbert! Und für das Geld dreiundzwanzigdreiviertel Ellen Halb-Zoll-Bleirohre gekauft! Siehst du: Es hat sich gelohnt!«
»Ach ja? Du meinst also, es hat sich gelohnt?« schnaubte Praxx. »Dann sag das mal meinem Bauch!«
Apathos trat einen Schritt zurück und bewunderte die großzügig ausbauchende Kurvatur von Praxx’ Wampe. »Was soll mit deinem Bauch sein? Sieht doch ganz fett … äh … ich meine nett aus!«
»Hörst du das?« fauchte Praxx, dessen Magen vernehmlich knurrte. »Hast du das gehört? Wie ein wilde Bestie! Und nur deshalb, weil ich noch nicht gefrühstückt habe!«
»Da komm ich jetzt nicht ganz mit: Warum soll denn meine Geschäftsreise dran schuld sein, wenn du dich mangelhaft ernährst?«
»Deswegen!« fuhr ihn Praxx an und hielt ihm einen gewissen silbernen Toaster hin, den er hinter dem Rücken versteckt hatte. »Das Ding ist hin!«
»Und warum läßt du ihn dir nicht von Watt reparieren?« Apathos sah ihn mürrisch an. »Nur weil ich das Konzept der thaumargesteuerten Röststufenwahl entwickelt habe, muß man doch nicht jedesmal mich holen, wenn das Ding den Geist aufgibt! Was fehlt denn eigentlich?«
»Kein Ahnung!«
»Wie bitte? Habt ihr etwa keine Fehlerdiagnose mit Nanowich …?«
»Das ist nicht so einfach, wenn’s keine Nanowichte mehr gibt!«
»Aha. Ihr habt es also gemerkt.« Apathos strich sich eine Haarsträhne aus den schuldbewußt flackernden Augen. »Ich hätte … ich wollte sie gleich nach meiner Rückkehr wieder ersetzen. Ich hab da noch einen ganzen Haufen Keimlinge …«
»Wo sind sie?« wollte Praxx wissen.
»Das läßt sich nicht so ganz genau sagen, nicht wirklich exakt oder präzi …«
»Was?«
»Aber sie sind gut aufgehoben. Kann ihnen überhaupt nichts passieren. Ich hab das Abschirmfeld auf Stufe zehn hochgefahren. Sie können nicht durchbrennen. Und außerdem gibt die Schicksalsröhre so viel schwachthaumare Emission ab, daß drei Nanowichte noch eine Ewigkeit davon …«
»Drei, sagst du? Du hast diese Kugeln, diese, diese Scherzartikel mit drei Nanowichten bestückt?«
Apathos nickte. »Mit zwei Nanos hat’s nicht richtig funktioniert. Die Kugeln haben für alles, was über ein Jahrzehnt in der Zukunft lag, vollkommen abwegige Vorhersagen geliefert. Außerdem war die Farbwiedergabe fürchterlich. Völlig verwaschen und flau und …«
»Aber sie sollten doch gar auch nicht wirklich funktionieren …«
»Moment mal! Es ist viel zu riskant, mit fragwürdigen Zukunftsprognosen hausieren zu gehen! Was, glaubst du, würde zum Beispiel ein General mit uns machen, der – nachdem er tief in unser Glas geschaut und dort seinen sicheren Sieg gesehen hat – seine Truppen in die Schlacht schickt und dann eine vernichtende Niederlage einstecken muß? Der würd uns ganz schön in die Mangel nehmen! Hab ich recht?«
Praxx zog ein finsteres Gesicht. »Würd ihm aber nicht recht gelingen. Wie soll er sich denn, bitte schön, an uns rächen, wenn er keine Armee mehr hat?«
Apathos dachte nach. »Und wie sieht’s, bitte schön, vom rechtlichen Standpunkt aus? Na, schon mal dran gedacht? Was sollte ihn dran hindern, juristisch gegen uns vorzugehen? Kostet schließlich einen Haufen
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