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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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durch den Kopf; der Lärm, den er veranstaltete, als er sich seine Mittelhandknochen wieder einrichtete, war erheblich lauter, als er gedacht hatte. Fast so laut wie das unerhörte Geheul, das er ausstieß, als er anfing, mit den Möbeln um sich zu werfen. (Diejenigen Möbelstücke ausgenommen, die niet- und nagelfest im Boden verschraubt waren.)
    »Entschuldigung«, meldete sich Zhaminahs körperlose Stimme. »Entschuldigung, aber ich fürchte, wir haben eine Tonstörung. Bei mir hört es sich fast so an, als ob jemand in einem geschlossenen Raum mit Möbeln um sich wirft. Hören Sie das auch?«
    »NEIN!« Der Kommandant schnappte erschrocken nach Luft, als sein Stuhl im hohen Bogen über den Schreibtisch flog und von der Zimmerwand abprallte. »Ich höre hier nur Ihre Entschuldigungen! Und die können Sie sich sparen! Die reichen mir nicht! Wissen Sie eigentlich, was uns diese Sache gekostet hat? An Forschungsaufwand? Geld? Zeit? Na los, antworten Sie schon! Oder lassen Sie’s besser bleiben und beschaffen Sie mir das Scheißding wieder! Wegtreten!«
    Er unterbrach die Verbindung, holte sich seinen Stuhl zurück, ließ sich darauffallen und massierte die pochende Ader an der Stirn.
    Verschwunden! Das durfte doch nicht wahr sein! Und wer hatte ihn jetzt? Wo war er? Merlot wurde nach wie vor streng überwacht und hockte sicher verwahrt in seiner Kabine beim Poloturnier.
    Die Kommandantenstirn schlug mit einem qualvoll dumpfen Geräusch gegen die Schreibtischplatte. So knapp davor! Zum Greifen nahe! Und jetzt …
    Dieser verdammte Zhaminah! Er sollte dafür bezahlen müssen, wenn er ihm den Hextirpator nicht wieder herschaffte! Und nicht nur finanziell.
     
    Die Gasse war klein und schäbig. Sie war eine von den dunkleren, feuchteren und unansehnlicheren Gassen im Congress Center Guldenburg. Durch diese Gasse stapfte – wutschnaubend, gereizt und angespannt wie eine überdrehte Standuhr – ein etwas kompakt geratener Junge, der in einem fort vor sich hin schimpfte und maulte. Der sich bitter darüber beklagte, daß man ihn eine Ewigkeit lang mit trivialem Zeug – Einführung in die magische Welt der Pflanzen! – traktiert hatte. Eine schreiende Ungerechtigkeit! Wie kam dieser Merlot eigentlich dazu, ihn wie ein dummes, hilfloses Kleinkind zu behandeln? Was dachte er sich eigentlich dabei, wenn er meinte, ihn wie ein zahnloses Baby mit den vorgekauten Brocken einer magischen Schonkost abspeisen zu müssen? Von wegen Kind! Von wegen greinender, unbeholfener, unselbständiger Tolpatsch! Damit hatte er schon längst abgeschlossen – er, Hogshead, der gelernt hatte, aufrecht zu gehen, selbstbewußt und stolz. Ganz wie ein Teenager eben.
    Er kannte das Leben, und er kannte die Magie. Die Große Magie: Einsachtzig große froschgestaltige Magie mit Zähnen und Klauen, Hochenergie-Magie samt funkenstiebendem Thaumatron und chaotischen Zeitreisen – das alles kannte er eigener Erfahrung. Und mehr noch: Das alles war durch ihn erst möglich geworden, durch sein energisches, entschlossenes Handeln. [12] Schließlich war er es gewesen, der Merlot aus den Kapiteldimensionen hergezaubert hatte. Zugegeben nicht ganz allein: Ein etwa zwei Zentimeter großer sprechender Bücherwurm hatte ihm dabei geholfen. Aber braucht denn nicht jeder Hexenmeister ab und an ein bißchen Hilfe und Unterstützung?
    Und jetzt? Nachdem er hautnah mit den mächtigsten Kräften in tausenderlei Gestalt zu tun gehabt hatte – was hatte davon profitiert? Was konnte er vorweisen? Welche aufsehenerregenden Großtaten von thaumarer Fulminanz konnte er vollbringen, hä? Was hatte er Weltbewegendes zu bieten, wenn es um magisches Entertainment ging – sei als künstlerisch hochwertige Inszenierung oder als ehrlicher, handfester Hokuspokus ohne jeden ästhetischen Schnickschnack, hmmm? So prüfte er sich, wutschnaubend und leise Flüche ausstoßend, und stellte eine Liste seiner vielfältigen Talente auf.
    Die Liste fiel, wie er sich eingestehen mußte, leider nicht sehr beeindruckend aus. Was nützte es ihm, daß er es in Pflanzenmagie und Kryptozoologie zur Meisterschaft gebracht hatte? Wozu war so etwas gut? Sollte tatsächlich einmal der Tag kommen, an dem er beweisen müßte, daß er freihändig Gürteltiere jonglieren konnte – dieser Tag konnte nur ein trauriger, ein schwarzer Tag sein. Soviel stand jetzt schon fest.
    Käme es einmal zum Krieg, zum Kampf Mann gegen Mann – nichts und niemand würde vor ihm, der mit solchen Waffen gerüstet war,

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