Die Narben der Hoelle
und schraubte den Außenborder am Heckbrett fest. Nach ein paar Handgriffen und zwei kräftigen Zügen am Starterseil sprang der kleine Yamaha problemlos an und gab ein fröhliches Mopedgeräusch von sich.
In seiner Kajüte tauschte er die Badehose gegen eine halblange Cargohose aus leichtem Leinenstoff, zog ein kurzärmliges Hemd über und holte seinen Sonnenhut aus dem Schrank. Dann stieg er ins Cockpit, beugte sich tief in die Backskiste unter der Sitzbank und kramte eine große Plastikkiste hervor, die ihm beim Durchchecken im Hafen aufgefallen war. Sogar einen verschließbaren Deckel hatte sie – ideal für den Sandtransport.
Vorsichtig stieg er damit in das kipplige Schlauchboot und begann seine Rundfahrt durch die Bucht. Hinter der Landspitze stieß er auf einen menschenleeren Sandstrand. Sanft ließ er das Boot auflaufen und sprang heraus. Mit den Händen schaufelte er feinen Sand in die Kiste, bis sie voll war, und drückte den Deckel fest darauf. Nun hatte er einen Vorrat für mehrere Tage.
Wer wusste schon, welche Wartungsintervalle so ein Katzenklo hatte …
Die schwere Box klemmte er vorn im Bug zwischen die spitz zulaufenden Wülste der Schwimmer und sicherte sie mit einem Stück Leine, das im Boot herumlag.
Nun konnte er sich ein wenig umsehen.
Hinter dem Strand lag ein kleines Wäldchen mit knorrigen alten Olivenbäumen. Als Johannes zwischen den grauen, verwitterten Stämmen herumwanderte, sah er auch noch ein paar verwilderte Mandelbäume, Relikte einer vergangenen Zeit, in der die Bauern hier Mandeln geerntet hatten. Inzwischen waren riesige Plantagen an der Schwarzmeerküste entstanden, dem heutigen Zentrum der türkischen Nuss- und Mandelproduktion.
Herrliche Stille umgab ihn. Nur einmal hörte er in der Ferne, weit hinter dem Wäldchen, ein Auto vorbeifahren. Dort musste die Straße zum Dorf entlangführen.
Nach einem ausgedehnten Spaziergang kehrte er wieder zum Strand zurück und stieg in sein Dingi. Die Sonne tauchte bereits im Westen hinter die Insel, als er sich auf den Rückweg machte. Er umrundete die Landspitze in gemächlicher Fahrt. Dahinter kam die Yacht wieder ins Blickfeld, die friedlich eine halbe Meile weiter südlich in der untergehenden Sonne lag.
Was war das? Was zum Teufel ging da vor?
Alarmiert starrte er zur Akgül hinüber.
Da war jemand an Bord!
Ganz klar konnte er sehen, dass sich jemand an Deck bewegte. Er fluchte, weil er kein Fernglas dabei hatte. Aber wozu auch hätte er das teure Glas auf den Schlauchbootausflug mitnehmen sollen?
»Um dein Schiff im Blick zu behalten, du Idiot!«, stieß er wütend aus.
Ohne Vergrößerung war kaum auszumachen, was da vor sich ging. Er drehte den Gashebel zum Anschlag und forderte die volle Leistung von dem kleinen Motor ab. Dabei stieg der Bug des leichten Dingis in die Höhe. Die schwere Sandbox im Bug verhinderte zwar, dass es noch höher stieg, dennoch sah er jetzt überhaupt nichts mehr.
Also wieder runter mit der Fahrt.
Er kniff die Augen zusammen, um etwas erkennen zu können.
Da, jemand ging im Cockpit herum und verschwand im Niedergang!
Natürlich war der nicht abgeschlossen.
Wozu auch – hier friedlich vor Anker liegend, weitab vom Treiben in einem Hafen? Außerdem sollte Luft durchs Schiff zirkulieren bei dieser Hitze …
Eine Einladung also für Einbrecher. Und jetzt klaute der Kerl mühelos alles, was nicht niet- und nagelfest war.
»Scheiße«, fluchte Johannes laut. Hoffentlich kriegte er den Kerl noch zu fassen, bevor er abhaute.
Plötzlich sah er bei der Yacht etwas Rotes auftauchen, ein großes Schlauchboot, ein Zodiac, das um das Heck der Yacht herumgefahren kam. Eine weitere Person stand aufrecht darin und gestikulierte. Da tauchte der erste Mann wieder aus dem Niedergang auf und blickte herüber zu ihm.
Sie hatten ihn gehört – und nun auch gesehen!
Johannes drehte das Gas voll auf. Es war ihm egal, dass er so wieder nichts sah – er hielt einfach den Kurs und raste mit Vollgas über das Wasser.
Noch fünf, sechs Minuten – grobe Schätzung. »Euch werd ich helfen … «
Erschreckt fuhr er zusammen: In kurzem Abstand hallten erst ein trockener, scharfer Knall und sofort darauf das Aufbrüllen eines starken Motors durch die stille Bucht.
Dieses sonore Motorengeräusch hatte Johannes heute schon einmal gehört. Abrupt drosselte er das Gas und sah, wie ein Mann von der Yacht in das jetzt längsseits liegende Zodiac sprang.
Verdammt, sie entwischten ihm!
Gerade wollte er wieder
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