Die Narben der Hoelle
Admiral hätte durchgehen können, musterte seinen Besucher aufmerksam und stellte mit strenger Stimme fest: »Sie sind also der Mann, der die Akgül gechartert hat.«
»Ja, der bin ich.«
»Schönes Schiff, die Akgül. «
Warum nur klang diese einfache Feststellung in Johannes’ Ohren so … bedeutungsvoll? Unbehaglich erwiderte er: »Ja, das stimmt.« Mehr fiel ihm nicht ein.
»Wurde noch nie an Fremde verchartert.« Noch ein Statement.
Johannes wollte nicht unhöflich sein. »Ach ja? Na, ich habe sie auch nicht direkt gechartert. Mein türkischer Freund hat den Vertrag gemacht. Er kennt den Eigner.«
Die Augenbrauen des Admirals wanderten nach oben. »Oh, Ihr Freund ist ein Bekannter von Herrn … vom Eigner. Das ist … «
Es blieb offen, was das war. Aber dieser knappe Dialog bewirkte Bemerkenswertes: Der Hafenkapitän verwandelte sich flugs in einen umgänglichen Menschen, lächelte seinen Besucher freundlich an und fragte ihn nach dem Ziel seines Törns. Auch die Idee, zunächst den Bademli Körfezi anzulaufen, fand Gnade vor ihm, und zum Schluss beschrieb er sogar noch ein paar schöne Ankerbuchten auf der Wandkarte.
Johannes ließ sich den aktuellen Wetterbericht ausdrucken und studierte die Wetterkarte genau. In der Nacht sollte der Wind zwar zunehmen, aber das war ihm nur recht. So würde es eine flotte Fahrt werden. Jedoch näherte sich ein kleines, heftiges Tiefdruckgebiet von Nordwesten, das ihm Sorgen bereitete. Wenn das seine Zugrichtung nicht änderte, könnte es dort, wo er hinwollte, in ein, zwei Tagen recht ungemütlich werden. Bis dahin würde er aber bereits in der geschützten Bucht vor Anker liegen, beruhigte er sich.
Beim Verlassen des Hafenbüros war er in einen druckfrischen Prospekt über die neuen Yachthäfen an der türkischen Küste vertieft, den der stolze Admiral ihm mitgegeben hatte, und wäre daher fast mit zwei jungen Männern zusammengestoßen. Sie trugen große Sonnenbrillen und hatten es offenbar sehr eilig, in das Gebäude zu kommen.
Johannes beachtete sie nicht weiter.
Am Nachmittag war die Akgül seeklar, und er warf die Leinen los.
Anfangs lief alles perfekt. Herrliches Segeln unter warmer Nachmittagssonne bei kräftigem Wind.
Doch das änderte sich mit Einbruch der Dunkelheit. Schließlich wurde daraus sogar eine ruppige nächtliche Fahrt. Der Starkwind mit seinen giftigen Böen, die unvermittelt immer wieder über das Boot herfielen, forderte volle Aufmerksamkeit von Johannes.
Mit zwei Reffs im Groß- und dem auf ein Drittel eingerollten Vorsegel behielt er die Yacht zwar im Griff. Leider aber kam der Wind – für die Jahreszeit ungewöhnlich – aus Westen. Hart fegte er von den Bergen der großen griechischen Insel Lesbos herab über die See.
Das hieß Kreuzen. Ungezählte Kreuzschläge, um der felsigen türkischen Küste nicht zu nahe zu kommen. Das Ganze in einer starken Dünung, die sich vor der Küste aufbaute und das Boot heftig stampfen ließ.
Außerdem wurde es unangenehm kühl.
Er überließ dem Autopiloten die Steuerung, um sich aus der Kombüse die Thermoskanne mit Fleischbrühe zu holen, die er vor dem Ablegen zubereitet hatte. Als er unten am Niedergang angekommen war, bemerkte er eine Bewegung in der Ecke des Salons und fuhr zusammen.
Eine Ratte?
Hatte es also doch eines dieser widerlichen Viecher über das Gangwaybrett geschafft, während er seinen Rausch ausschlief?
Gleich darauf musste er lachen. Was da über das Brett an Bord gekommen war und nun im Licht der Kombüsenlampe angstvoll zitterte, war zweifellos ein graues Tier, jedoch von gänzlich anderer Spezies: Eine kleine hellgraue Katze, die ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrte.
»Eigenartiger Unterschlupf, den du dir da gesucht hast! Aber das hast du wohl schon selbst gemerkt«, rief er ihr über das Heulen des Windes zu, das bis hier herunter drang. Das Boot sackte durch, rauschte in ein Wellental und schlug hart auf, als wäre es gegen eine Mauer gefahren. Für einen Moment kam es fast zum Stehen.
Johannes fiel seitlich auf das Salonsofa und wurde gegen die Lehne gepresst, während das Geschirr in den Schapps heftig schepperte. Unten in der Bilge schlugen Flaschen klirrend zusammen und etwas zersplitterte. Erschreckt gab die Katze einen kläglichen Ton von sich und kauerte sich auf den Boden. Mitleidig sah er sie an und verfluchte sich, die Sachen so nachlässig gestaut zu haben. »Starke Crew, wir beide … «, murmelte er und rappelte sich hoch.
An Deck! Er konnte
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