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Die Narben der Hoelle

Die Narben der Hoelle

Titel: Die Narben der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. Dieter Neumann
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kurzer Zeit hatte sich ihre Lage verbessert. Ein junger, gepflegt aussehender und groß gewachsener Afghane kam herein, sagte » This is more comfortable for you « und nahm ihnen die Binden ab.
    Überhaupt gingen ihre Bewacher viel freundlicher mit ihnen um, seit der junge Mann in dem sauberen Kaftan da war. Sie wurden nicht mehr brutal herumgestoßen. Auch schlug sie niemand mehr.
    Wenigstens würden sie nicht verhungern. Das ungewohnte Essen führte jedoch dazu, dass sie beständig Bauchschmerzen hatten. Und unerträgliche Darmkoliken. Da es den Wächtern irgendwann zu lästig wurde, sie stets zu begleiten, hatte man ihnen bedeutet, ihre Verrichtungen allein auszuführen. Dazu mussten sie ihren Höhlenraum auf der rückwärtigen Seite verlassen, wo ebenfalls eine Öffnung im Fels war. Sie führte in einen schmalen, dunklen Gang. Nach ein paar Schritten öffnete sich rechter Hand ein Höhlenraum mit Kübeln und Trögen, der als Latrine diente. Es gab dort auch einige Kanister mit Wasser und eine alte dreckverkrustete Plastikwanne, so dass man sich notdürftig säubern konnte, wenn man sich erleichtert hatte.
    Da diese bemerkenswerte sanitäre Einrichtung jedoch von allen benutzt wurde, die sich hier aufhielten, herrschte ein grauenvoller Gestank im gesamten Gewölbe. Bis an ihre Pritschen drang der Ekel erregende Fäkaliengeruch.
    Dennis und Torsten hatten sich daran gewöhnt. Sie nahmen den Gestank gar nicht mehr wahr.
    Sie hatten andere Probleme.
    Vor allem hatten sie Angst, standen dicht davor, zu verzweifeln. Dass dies bisher noch nicht geschehen war, hatte ohnehin nur einen einzigen Grund: Sie konnten miteinander reden.
    »Meinst du, sie kommen nun bald?«, fragte Dennis zum hundertsten Mal.
    »Klar kommen sie«, antwortete Torsten nach einer längeren Überlegungspause und legte viel Zuversicht in seine Stimme. »Die Frage ist nur, wann. Erst müssen sie uns mal gefunden haben.«
    »Und – meinst du, sie finden uns noch?«
    Die Frage, die sie sich immerfort stellten. Sie beherrschte ihr ständiges Grübeln. Keine Sekunde lang zweifelten sie daran, dass man alles versuchen würde, sie zu befreien.
    Wenn man sie fand …
    Aber sich ein und dieselbe Frage im Minutenabstand zu stellen, war eine Sache.
    Eine andere war es, sie auszusprechen.
    Torsten griff unter seine muffige Decke und zerdrückte eine Wanze, die in Höhe seiner Leiste gerade mit ihrem Mahl begonnen hatte.
    Ihm fiel keine Antwort mehr ein.
    *
    Jamal saß in seinem klimatisierten Haus im Stützpunkt der Miliz und blickte auf den handgezeichneten Plan.
    Jetzt konnte er ihn verbrennen.
    In den letzten Tagen hatte er sich das Höhlensystem fest eingeprägt. Er würde sich blind in dem Labyrinth orientieren können und jede Stelle und jeden Ausgang auch bei völliger Dunkelheit erreichen, da war er sicher.
    Der Ort, an dem die beiden deutschen Soldaten seit nunmehr vierzehn Tagen gefangen gehalten wurden, war eine Art unterirdischer Irrgarten mit vielen verschieden großen Kavernen, teils hoch wie die Kuppel einer Moschee, teils so niedrig, dass man sie nur kriechend durchqueren konnte. Die Höhlen lagen in einem Felsmassiv am Ende eines langen Tales, eines tiefen Einschnitts in die Ausläufer des Hochgebirges.
    Von jemandem, der nicht wusste, wo sie sich befanden, waren die Höhlen nicht zu entdecken. Direkt vor den vorderen Zugang war ein geräumiges Haus aus Lehmziegeln an die Felswand gebaut worden. Davor umstanden weitere Lehmbauten einen großen staubigen Platz. Etwa zehn Wohnhäuser bildeten eine kleine Siedlung, die fast nur noch von alten Menschen bewohnt wurde. Die jungen waren schon vor vielen Jahren nach Kunduz oder sogar nach Kabul abgewandert, bot doch dieser Flecken außer der Schaf- und Ziegenhaltung kaum Möglichkeiten für das Überleben einer Familie.
    Während der Kriegsjahre waren die Höhlen, die kaum jemand kannte, von Jamal für seine Mudschaheddingruppe als Unterschlupf genutzt worden. Damals verdienten sich die Bewohner der Siedlung ein Zubrot damit, dass sie für die Kämpfer Verpflegung und Ausrüstung auf ihren Eselskarren hierher transportierten und für Feuerholz in den Höhlen sorgten.
    Die Sowjets entdeckten dieses Versteck nie. Mehrmals kamen sie in das Tal, durchsuchten sogar die Häuser. Welches Geheimnis dieser Ort hütete, fanden sie nie heraus.
    Der in dem Haus verborgene Eingang war jedoch nicht der einzige Zugang zu dem weit verzweigten Höhlenlabyrinth. Es gab noch drei weitere. Einer davon lag etwa

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