Die Narben der Hoelle
Konferenzraum herausgekommen. Dieser deutsche Hauptmann, der für die Patrouillen verantwortlich ist, und der amerikanische Major und der Chef der Flieger aus Mazar-i-Sharif haben sich dann zusammengesetzt. Da haben sie die Befreiung geplant – ganz klar!«
Jamal nickte befriedigt.
Das Täuschungsmanöver war geglückt.
*
Es war nicht zu übersehen: Kalakani wurde bereits unruhig.
Oder gar misstrauisch?
Seit die Ungläubigen erfahren hatten, wo ihre Soldaten gefangen gehalten wurden, schickten sie ihre Flieger Tag und Nacht über das Land.
In kürzester Zeit würden sie zuschlagen, das war Jamal klar. Alles kam nun darauf an, dass Hedayat den genauen Zeitpunkt dafür herausbekam. Und zwar schnell. Allzu lange konnte das gefährliche Spiel nicht mehr gut gehen.
Ungeduldig hatte der Warlord Jamal in seine Residenz befohlen und stellte ihm jetzt eine Menge unangenehmer Fragen.
»Ich habe mir von diesem Schachzug einen wichtigen Zeitgewinn erhofft«, sagte Kalakani und sah den Chef seiner Truppen aufmerksam an. »Sie dürfen die Fabrik nicht entdecken! Wir müssen die Ernte verarbeiten. Und alles schien ja auch bisher genauso zu verlaufen, wie mein Sohn und Hashmat es sich ausgedacht hatten … «
»Wieso ,schien’, Abdul?«, fiel ihm Jamal ins Wort. »Es läuft doch alles nach Plan: Die Ungläubigen haben sofort auf die Lösegeldforderung reagiert. Sie sind doch bereit zu Verhandlungen! Sayed sagte mir, dass sie die verschlüsselte Botschaft ins Internet gestellt haben, in dieser … äh, Zeitung, oder was das ist … «
»Ja, sie haben eine Anzeige in den Afghan Online News ins Netz gestellt, das ist schon richtig … «
»Na also! Dann haben wir doch jetzt Zeit gewonnen, genau wie es geplant war!« rief Jamal.
Kalakani sprang auf. »Aber plötzlich braut sich da etwas zusammen! Sie entwickeln gefährliche Aktivitäten, das ist unübersehbar!« Angespannt schritt er auf seinen teuren Teppichen hin und her und fuhr dabei nachdenklich fort: »Scheinbar läuft alles wie geplant. Und trotzdem … « Abrupt unterbrach er seine Wanderung. »Hast du die Flugzeuge auch bemerkt, Jamal?«
»Die fliegen doch ständig herum. Warum bist du so unruhig? Es ist klar, dass sie die Suche nach ihren Leuten nicht aufgeben, bloß weil sie sich zu Verhandlungen bereit erklärt haben.«
»Da passiert irgendetwas! In den letzten zwei Tagen sind plötzlich ihre TORNADOS aus Mazar-i-Sharif über die Höhlen geflogen. Auch nachts! Du weißt genau, dass sie damit Fotos machen. Das sind schließlich Aufklärungsflugzeuge. Die haben Kameras an Bord und Infrarotsensoren, sagt Sayed. Immer wieder fliegen sie da herum – das muss einen Grund haben, da bin ich sicher … «
Wie recht du hast, dachte Jamal. »Die machen regelmäßig ihre Aufklärungsflüge, auch schon, bevor wir ihre Leute entführt haben. Und außerdem: In die Höhlen hinein können sie auch mit ihren modernen Geräten nicht schauen«, versuchte er zu beschwichtigen.
»Aber Sayed und Hashmat haben mir berichtet, dass sie noch nie vorher so oft über dem Gebiet gesehen wurden, in dem die Höhlen liegen!«
Jamal schwieg. Plötzlich heftete Kalakani seinen Blick auf ihn und sah ihn durchdringend an. Seine Stimme war gefährlich leise, als er fragte: »Kannst du dir vorstellen, dass jemand ihnen das Versteck verraten hat?«
Natürlich hatte er diese Frage erwartet. In die Glieder fuhr sie Jamal dennoch. Überlaut rief er aus: »Wer, im Namen des Höchsten, sollte denn das getan haben, Abdul? Und warum? Kannst du mir sagen, weshalb jemand von uns sich selbst das Wasser abgraben wollte?«
Der Warlord gab darauf keine Antwort. Seine Augen aber wandte er nicht ab. Mit wachsendem Unbehagen erwiderte Jamal scheinbar gleichmütig den stechenden Blick und schwieg ebenfalls.
Endlich sagte Kalakani entschlossen: »Ich werde das Risiko nicht eingehen. Mir ist nicht wohl dabei. Wir müssen die Geiseln an einen anderen Ort bringen.«
Jamal lief es eiskalt den Rücken herunter. Das durfte nicht passieren!
Aber dann hörte er Kalakani sagen: »Du musst ein neues Versteck finden, Jamal! Und zwar schnell! Ich will, dass die Geiseln in zwei, drei Tagen woanders hingebracht werden können!«
Zwei, drei Tage also, dachte Jamal mit stillem Triumph.
Bis dahin wird alles erledigt sein.
Auch du!
Laut antwortete er: »Vielleicht ist das wirklich besser, Abdul. Ich kümmere mich sofort darum. Ich habe da sogar schon eine Idee!«
Und was für eine …
»Gut, aber beeil dich!«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher