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Die Narben der Hoelle

Die Narben der Hoelle

Titel: Die Narben der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. Dieter Neumann
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umklammert, dass seine Hand verkrampfte.
    Die Höchstdrehzahl an der Schraube schien jedoch rein gar nichts zu bewirken. Das Boot trieb weiter ab, während der gequälte Motor laut brüllte. Verzweifelt bemerkte Johannes, dass der Bug langsam nach Backbord auswanderte.
    Die Akgül lag nun nicht mehr voll im Wind, sie fing an, sich querzulegen …
    Hart drehte er das Ruderrad bis zum Anschlag nach steuerbord. Sein Arm sandte Wellen von Schmerz aus, während er den Gashebel verbissen nach vorn gedrückt hielt.
    Dann, fast unmerklich zunächst, begann das Schiff zu reagieren.

22
Mai
Afghanistan
    Es war kalt, feucht und dunkel.
    Ob es Tag oder Nacht war, konnten die Gefangenen nicht feststellen. Die einzige Petroleumlampe, die blakend an einem rostigen Nagel in der feuchten Felswand hing, spendete nur wenig Licht. Das reichte gerade dazu aus, dass ihre Bewacher sie erkennen konnten, wenn sie hereinsahen.
    Dennis und Torsten lagen auf ihren rostigen Pritschen und froren. Sie waren allein in einem Gewölbe aus Felsgestein, das etwa zwanzig Quadratmeter groß war. Wenn die beiden jungen Soldaten ihre Köpfe hoben, sahen sie durch ein breites Loch im Felsen, das bis zum Boden reichte, in einen Höhlenraum. Ständig hielten sich dort ein paar Männer in Kaftanen und mit verwegen um die Köpfe geschlungenen Turbanen auf. Meistens mit umgehängten Gewehren.
    Natürlich verstanden die Geiseln kein Wort von dem, was ihre Bewacher miteinander sprachen.
    Sie hatten jegliches Zeitgefühl verloren. Hier drin war kein Unterschied zwischen Tag und Nacht feststellbar, auch nicht, seit man ihnen vor kurzem die Augenbinden abgenommen hatte.
    Mit verbundenen Augen waren sie hierher transportiert worden. Man nahm ihnen die Handfesseln erst ab, als sie in ihrem Verlies waren. Die Augenbinden aber blieben zunächst um ihre Köpfe gewickelt. Sie juckten schon nach kurzer Zeit fürchterlich.
    Als Dennis sich seine einmal voll Verzweiflung vom Kopf riss, wurde er mit einem Holzknüppel verprügelt.
    Die Decken, die man ihnen gegeben hatte, waren inzwischen ekelhaft klamm. Die einzige Möglichkeit, die Nässe in ihrer Bekleidung zu trocknen, bestand darin, unter den Decken zu liegen, bis die Feuchtigkeit durch die Körperwärme langsam verdampfte. Das war wichtig, denn es herrschte ein beständiger Luftzug in dem Felsgewölbe.
    Torsten, der eine Lehre als Schornsteinfeger hinter sich hatte, bevor er für vier Jahre zur Bundeswehr ging, erklärte seinem Kameraden den Grund dafür: Die Höhle hatte mindestens zwei, wahrscheinlich sogar noch mehr Ein- und Ausgänge, so dass die Luft ständig zirkulierte.
    Über die konstruktiven Grundlagen eines Kamins hätte Dennis inzwischen selbst einen kleinen Fachvortrag halten können. Und das, obwohl er Bäcker gelernt hatte.
    Inzwischen standen sie eigentlich nur noch auf, wenn ihnen ihr Essen gebracht wurde oder sie ihre Notdurft verrichten mussten. Vor allem das war einfacher geworden, seit sie sehen konnten, wohin sie gingen. Vorher hatten sie sich mit verbundenen Augen an den kalten und rauen Felswänden entlang getastet, um zum Latrinenraum zu kommen. Blutige Abschürfungen an den Händen und Prellungen am ganzen Körper waren dabei unvermeidlich gewesen.
    Beide waren sie stark erkältet. Ihre Nasen liefen, und sie wurden von ständigen Hustenkrämpfen geplagt.
    Außerdem stanken sie erbärmlich.
    Ihre Haare waren verfilzt, und ein beständiger Juckreiz am ganzen Körper plagte sie. Ihre Haut war übersät von entzündeten Stichen. Für die zahlreichen kleinen Bettgenossen, die Wanzen, waren ihre Leiber offensichtlich ein nicht enden wollendes Festmahl.
    Ein gefundenes Fressen.
    Sie selbst bekamen auch Essen. Die Mahlzeiten bestanden meistens aus scharf gewürzten Fleischstücken oder Gemüse in öliger Soße, alles in einer einzigen großen Schüssel. Besteck erhielten sie nicht. Sie waren aber beide nicht zum ersten Mal in Afghanistan, wussten also, dass derlei Luxus hierzulande unüblich war. Also aßen sie mit ihren schmutzigen Fingern. Stets gab es flache Fladenbrote dazu, manchmal sogar noch warm und knusprig. Alles wurde einfach neben ihren Pritschen auf den Boden gestellt.
    Als ihre Augen noch verbunden waren, hatten sie sich wie Tiere hinknien und die Schüsseln ertasten müssen. Wenn sie den Napf dabei einmal umstießen und der Inhalt sich über den schmutzigen Steinboden ergoss, setzte es Schläge.
    »Wie Schweine am Trog«, sagte Torsten, und Dennis ergänzte: »Blinde Schweine!«
    Vor

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