Die Narben der Hoelle
fünfhundert Meter weiter westlich in einem kleinen Seitental, in dem die Bewohner der Siedlung ihre Tiere hielten. Ein anderer befand sich in der Felswand auf etwa hundert Metern Höhe neben einem breiten Plateau in den Bergen östlich der Siedlung. Der letzte schließlich, der gerade groß genug war, dass ein einzelner Mann gebückt hindurchpasste, lag auf der Rückseite des Berges am Rande eines riesigen Geröllfeldes. Man konnte ihn nur durch das weiter östlich gelegene unbewohnte Seitental erreichen.
Wichtig für Jamals Pläne war vor allem dieser verborgene Zugang bei dem Geröllfeld. Nur wenige Menschen waren jemals dort gewesen. Jamal gehörte zu ihnen, hatte Hedayat jedoch nichts darüber erzählt.
Vor allem aber fehlte dieser Zugang natürlich auf der Kopie des Planes, die er dem Sprachmittler für dessen Vorsprache bei den Deutschen übergeben hatte …
Befriedigt zündete er sich eine Zigarette an und warf noch einen letzten Blick auf die Skizze. Dann hielt er die Flamme des Feuerzeugs an das Papier. Nach wenigen Sekunden war es nur noch ein kleines Häufchen Asche.
Wenn die Deutschen mit ihren verfluchten amerikanischen Freunden anrücken würden, um ihre beiden Soldaten zu befreien, wäre seine Stunde gekommen. Er würde endlich seinen Racheplan ausführen können, in’shallah.
Und nach getaner Arbeit würde er durch den geheimen Ausgang verschwinden.
Er hatte alles für diesen letzten Akt geplant und seine Vorbereitungen getroffen. Was immer auch die Soldaten der Ungläubigen unternehmen würden: Nichts konnte seine Rache mehr verhindern. Sayed war so gut wie tot.
Und da Kalakani in seiner großen Weisheit auch Hashmat in die Höhlen beordert hatte, würde er diesen gleich mit in die Hölle schicken.
Ein rascher Blick auf seine Armbanduhr. Es wurde Zeit. Er musste sich auf den Weg machen.
»Sie haben mir jedes Wort geglaubt!«, rief Hedayat begeistert aus, während er in den Jeep einstieg.
Jamal stieß erleichtert die Luft aus. Auf seiner nächtlichen Fahrt hierher zum Treffpunkt, dem verfallenen Stall mitten in der menschenleeren Steinwüste, war er nervös gewesen, das musste er sich eingestehen. Alles hing davon ab, wie glaubwürdig den Besatzern Hedayats Geschichte erschien.
Der Sprachmittler setzte sich aufgeregt auf den Beifahrersitz und sprudelte hervor: »Der Presseoffizier, für den ich immer ihre Flugblätter übersetze, ist fast durchgedreht, als ich ihm gesagt habe, wo die ,Taliban’ die Geiseln versteckt halten!«
»Aber du hast doch nicht nur mit dem Presseoffizier gesprochen, oder?«
»Nein, natürlich nicht, aber mit ihm zuerst. Der vertraut mir. Hat mir ohne weiteres abgenommen, dass ich in der Teestube ein Gespräch zwischen zwei Taliban belauscht habe, die sich über diese Höhle unterhalten haben … «
»Und wie hast du das mit dem Plan erklärt? Ich hoffe, du hast nicht zu dick aufgetragen!«
»Natürlich habe ich nicht behauptet, dass die Taliban über die Geiseln gesprochen haben. Ich habe sogar gesagt, dass ich nicht alles verstehen konnte, nur Bruchstücke, in denen es um diese Höhlen gegangen ist.«
»Gut gemacht.«
»,Ich kann mich noch erinnern, dass wir als Kinder dort gespielt haben’, hab ich ihm dann erzählt. Und dass ich aus dem Gedächtnis eine Skizze gemacht habe, obwohl ich mich natürlich nicht mehr an alle Einzelheiten erinnere.« Aufgeregt griff Hedayat nach einer von Jamals Zigaretten und zündete sie an.
»Du bist wirklich ein ganz durchtriebener Hund!«, lobte Jamal anerkennend.
Er hatte es ja gewusst. Hedayat war intelligent und verschlagen, ein Intrigant, der für Geld alles tun würde. Man musste eben die richtigen Leute auswählen …
»Nun erzähl mal weiter«, ermunterte er den kleinen Mann neben sich, der sichtlich stolz den süßlichen Rauch der Spezialmischung inhalierte.
»Der Presseoffizier ist dann sofort mit mir zum Kommandeur gelaufen, und ich musste meine Geschichte vor dem hohen Herrn noch einmal wiederholen«, berichtete Hedayat. »Dem habe ich auch die Zeichnung gegeben. Dann sind noch der Chef der Schnellen Eingreiftruppe und später ein amerikanischer Major dazugekommen.«
»Was haben sie denn besprochen? Konntest du das mithören?«
»Nein, natürlich nicht«, gab Hedayat zurück. »Sie haben gleich darauf eine Konferenz abgehalten, bei der sie mich nicht dabeihaben wollten … «
»Aber du bist sicher, dass sie angebissen haben?«
’ »Selbstverständlich bin ich sicher. Nach zwei Stunden sind sie aus dem
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