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Die Narben der Hoelle

Die Narben der Hoelle

Titel: Die Narben der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. Dieter Neumann
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nicht mehr ausbringen. Der war in der letzten Nacht mitsamt der Reling, an der er hing, vom scharfen Stahlbug des Motorseglers auf den Meeresgrund geschickt worden …
    Die Yacht hatte sich voll in den Wind gedreht, und ihr Bug zeigte nun direkt auf die Ziegeninsel, die zwischen den dichten Schauern kaum auszumachen war. Johannes peilte mit halb zugekniffenen Augen durch den peitschenden Regen hinüber. Der Abstand hatte sich anscheinend ein wenig vergrößert. Weit schien der Anker aber noch nicht gerutscht zu sein.
    Gott sei Dank blies es aus West. Bei dieser Windrichtung lag die Akgül hinter dem Eiland relativ geschützt.
    Natürlich wäre er, Müdigkeit hin oder her, bei jeder anderen Windrichtung und Sturmgefahr auch nicht in die Koje gegangen. Was man bei Sturm brauchte, wenn man nicht im Hafen vertäut lag, war freier Seeraum, das lernte man schon im ersten Segelkurs.
    Skeptisch schaute er über die verbogenen Reste des Heckkorbs nach Osten in Richtung Festland.
    Von wegen ,Freier Seeraum’. Viel davon gab es da nicht gerade. Schon etwa vierhundert Meter entfernt konnte er hinter dem Regenvorhang schwach die Küstenlinie erkennen.
    Eine wilde Bö ließ die Akgül wieder an der Ankerkette zerren. Mit dem charakteristischen Rattern slippte der Anker ein gutes Stück über den Grund.
    Und fand dann wieder Halt.
    Johannes ließ den Motor laufen und hockte sich unter die Sprayhood. Wie aus Eimern gegossen, stürzte der Regen auf das Stoffverdeck, aber darunter saß er trocken und hatte einen ganz guten Blick über die Bucht.
    Natürlich war weit und breit niemand auf dem Wasser.
    Immer schon hatte es im Mittelmeer schwere Sommerstürme gegeben; bereits Odysseus musste sich bekanntlich mit ihnen herumschlagen. Aber sie waren häufiger geworden in den letzten zehn Jahren, das hatten die Meteorologen nachgewiesen.
    Der Klimawandel war auch hier zu spüren.
    Immer öfter zogen solche kleinen, aber garstigen Tiefdruckgebiete schon im Spätsommer durch.
    Johannes rief sich noch einmal die Wetterkarte beim Admiral, dem hochdekorierten Hafenmeister von Ayvahk, ins Gedächtnis: Das Tief hatte klein ausgesehen, bewegte sich laut Vorhersage aber schnell. Wenn das stimmte, wäre der Spuk in ein, zwei Stunden vorbei. Hoffentlich ging die Yacht bis dahin nicht vollständig auf Drift …
    Er hielt seinen Blick gebannt auf das Zifferblatt der Armbanduhr geheftet.
    Vier Minuten waren jetzt um.
    Vier Minuten, in denen die Akgül mehrmals hart in die Kette eingeruckt war. Aber das nervtötende Rütteln des rutschenden Ankers hatte er in dieser Zeit nicht mehr gehört.
    Vielleicht hatte er ja Glück – eigentlich wurde es langsam mal Zeit dafür …
    Angestrengt überlegte er, ob er eine Chance hätte, mit gerefftem Großsegel gegen den Wind aus der Bucht heraus zu kreuzen, um auf offenes Wasser zu kommen. Doch er erkannte schnell, dass dafür nicht genügend Platz zur Verfügung stand. Außerdem musste er sich eingestehen, dass er zu angeschlagen war. Niemals hätte er es mit seinem verletzten Arm geschafft, das Reff einzubinden, geschweige denn, bei jedem Kreuzschlag die Winschen zu bedienen, während er im Sturm den Kurs halten musste.
    Nein, er musste hoffen, dass der Anker hielt. Sonst blieb wirklich nur noch der Motor.
    Ein Gutes hat dieses elende Wetter immerhin, kam es ihn schlagartig an: Falls seine Verfolger einen weiteren Anschlag auf ihn planten – und daran hatte er keinen Zweifel –, waren dies höchst widrige Bedingungen dafür. Im Augenblick brauchte er sich wenigstens um das Killerkommando keine Sorgen zu machen.
    Mit unheimlichem Heulen fiel in diesem Moment wieder eine heftige Bö die Yacht an. Johannes’ Kopf schlug hart gegen das Aluminiumrohr unter der Sprayhood.
    Diesmal gab es kein Rucken und kein Rütteln. Wie aus einem riesigen Kanonenrohr geschossen, setzte sich die Akgül nach einem einzigen dumpfen Knall plötzlich in Bewegung und driftete, immer schneller werdend, über das Heck ab, wobei der Anker und die Kette hörbar rumpelnd über den Meeresboden geschleift wurden.
    Johannes sprang zum Steuerstand, kuppelte ein und gab Vollgas.
    Er musste den Bug im Wind halten! Keinesfalls durfte das Boot sich drehen.
    Dann würde es querschlagen.
    Nicht auszudenken, wenn sich die Ankertrosse in der Schiffsschraube verfing! Dann triebe die Yacht manövrierunfähig auf das Festland zu und würde dort von der Brandung auf den Strand geworfen.
    Und in Stücke geschlagen.
    Johannes hielt den Gashebel so fest

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