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Die narzisstische Gesellschaft

Die narzisstische Gesellschaft

Titel: Die narzisstische Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Joachim Maaz
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Schulden ausgestalten und genießen zu können, bräuchten wir eine Führungsmannschaft in Politik und Wirtschaft, die frei wäre von narzisstischer Problematik. Die erforderliche Führungsqualität wäre nur Menschen zuzusprechen, die zur narzisstischen Regulation nicht mehr Gewinn und Boni benötigen und deshalb nicht mehr in Gefahr sind, gegen die Bedürfnisse des Gemeinwohls, gegen natürliche Bedingungen und die Interessen zukünftiger Generationen zu handeln. Führungskräfte, die auf der Basis stabiler Selbstsicherheit entscheiden und handeln können, müssen nicht ihr Ego ständig bedienen, sondern fühlen sich als soziale Persönlichkeiten ohne jede weitere Bedingung der Gesamtheit, dem Gemeinwohl und auch dem armen und kranken Nachbarn verpflichtet.
    Ich bin mir sicher, dass es zur Natur des Menschen gehört, in Frieden und Freundschaft zu leben, Liebe zu empfangen und zu geben, hilfsbereit zu handeln und solidarisch zu denken und zu entscheiden. Nur frühe Lieblosigkeit, Kränkung, Verletzung, Mangelversorgung, Gewalt und Verlassensein machen den Menschen übermäßig egoistisch, antisozial, brutal und süchtig. In diesen Fällen ist der Mensch aber auch schwer krank und gezwungen, eine kranke Gesellschaft auszugestalten, um seinen Störungen und Behinderungen die angemessene Bühne zu verschaffen und trotz aller Fehlentwicklung glauben zu können, gut und erfolgreich zu leben. Aber es ist eben nur das falsche Leben, das so hartnäckig verteidigt und umkämpft wird.

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    7 Die narzisstischen Beziehungsangebote
    Die narzisstische Störung zwingt zu spezifischen Beziehungsformen und schließt andere aus. Weil der pathologische Narzissmus eine bestimmte Abwehrform frühen Liebes- und Bestätigungsmangels ist, müssen alle realen Beziehungsformen eine Schutzfunktion gegen den frühen Schmerz erfüllen. Dazu müssen wir uns lediglich klarmachen, was der Narzisst im Größenselbst und im Größenklein besonders mag, braucht und gut kann und was er nicht mag und schlecht aushalten kann.
    Der Größenselbst-Narzisst muss immer Sieger sein, dominieren und gewinnen, er braucht Selbstdarstellung, Prahlerei, Übertreibungen von Leistungen und Fähigkeiten, er muss brillieren und sich gegenüber der Konkurrenz behaupten, er will Anführer sein und den Ton angeben (auch wenn die Kompetenz dafür nicht vorhanden ist). Auf der anderen Seite möchte er auf keinen Fall kritisiert und belehrt werden, er kann keine Fehler zugeben und keine Schwäche zulassen. Er möchte sich auf keinen Fall hilflos oder gar ohnmächtig erleben, er verträgt es nicht, abgelehnt oder verlassen zu werden, er kann nicht nachgeben, etwas einsehen, Verlierer sein und hat es besonders schwer, wenn er durch Krankheit, Alter oder die soziale Situation bedürftig und abhängig wird und auf Hilfe angewiesen ist.
    Der Größenklein-Narzisst will klagen und jammern, er braucht die Erfahrung, Opfer zu sein, nicht zu genügen, nicht gut genug zu sein, er braucht immer wieder die Bestätigung, abgelehnt und kritisiert zu werden, er muss verlieren, er will belehrt werden und muss beweisen, dass er etwas nicht kann, dass man ihn überschätzt oder ihm etwas zumutet, was er natürlich nicht schaffen kann. Er sieht Fehler ein, übt gerne Selbstkritik bis hin zu schweren Selbstvorwürfen, er kann erlebte Schmach und Verluste über Jahre hin als besonderes Leid kultivieren, die Depression ist seine Welt, da er nicht wirklich trauern kann. Er trägt die Einstellung: «Das kann ich nicht, das schaffe ich nicht, das ist mir zu viel, das wird sowieso nichts» wie ein Plakat vor sich her, und wehe, man will ihm das ausreden.
    Ich betone die Zwanghaftigkeit dieser negativen Selbst- und Lebenseinstellungen. Natürlich sind das keine angenehmen und durchaus sehr leidvolle Erfahrungen, aber gemessen am frühen Leid des Liebesmangels sind sie immer noch das kleinere Übel, so dass daran zum Schutze festgehalten wird.
    Macht man sich diese wesentlichen Seiten der narzisstischen Beziehungsangebote klar, fällt es nicht mehr schwer zu verstehen, wie es einem als Gegenüber ergeht, weigert man sich, kollusiv mitzuspielen: Gegenüber dem Größenselbst-Narzissten fühlt man sich immer klein, unbedeutend, mit dem Gefühl, nichts zu sagen zu haben (obwohl man sehr wohl etwas zu sagen hätte). Manchmal wird man verleitet, den Kampf um die Dominanz aufzunehmen, mitzumischen und sich auch mitzuteilen, das gibt man aber schnell wieder auf, weil im Meinungsstreit die

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