Die narzisstische Gesellschaft
Liebesmangel in der frühen Entwicklung – ein energetisches Defizit schränkt die Strukturentwicklung der Persönlichkeit ein. Metaphorisch gesprochen ist durch die mangelnde Liebe der Eltern die naturgegebene «Liebesbatterie» des Kindes nicht ausreichend aufgefüllt, was das Kind in die verzweifelte Lage bringt, sein Leben lang nach Möglichkeiten der energetischen Aufladung zu suchen. Während die einen dieses Defizit vor allem durch Leistungen verschiedenster Art wettzumachen versuchen, verfolgen die anderen die Strategie, durch vorgezeigte Schwäche und Hilflosigkeit Dritte zu verführen, ihre schwache «Batterie» aufzufüllen. Die fehlende primäre, lebenstragende Liebesenergie wird entweder aktiv durch Leistungsenergie oder passiv durch Versorgungsenergie ersetzt. So findet ein entscheidender – meist unverstandener – qualitativer Energieaustausch statt. Die «Batterie» kann auf diese Weise nur behelfsweise gefüllt werden, was das unendliche, süchtige Bemühen um Ansehen oder Unterstützung begründet. Im Größenselbst wird ständig übermäßig viel Ersatzenergie aufgebracht, um Geltung zu erlangen; im Größenklein hingegen muss die vorhandene Lebensenergie ständig gebremst werden, um nach außen hin Bedürftigkeit zu vermitteln.
So lässt sich die narzisstische Störung aus energetischer Perspektive als eine Über- oder Unterladung begreifen. Das Größenselbst braucht Energie, um sich zu beweisen, zu behaupten, um siegreich zu sein, um die tiefe seelische Schmach des Ungeliebtseins auszugleichen. Es entwickelt sich ein ständiger innerer «Antreiber», ein um den Erfolg besorgter Stresszustand. Kein Wunder also, dass das Größenselbst den Blutdruck hochtreibt, die Blutgefäße verengt, die Muskeln chronisch verspannt, Sorgen und Ängste produziert, schlecht schlafen lässt, keine Ruhe erlaubt, Entspannung erschwert. Essen und Genussmittel werden benutzt, um sich ersatzweise aufzuladen. So wird verständlich, dass hoher Blutdruck, Arteriosklerose, Adipositas, Diabetes und am Ende auch Herzinfarkt und Schlaganfall wesentlich durch narzisstische Bedürftigkeit befördert werden. Wirbelsäulenbeschwerden (Bandscheibe!) und Gelenkerkrankungen als Folge chronisch muskulärer Anspannung und Fehlbelastung bringen die narzisstische Ehrgeizhaltung ins schmerzhafte Bild (der seelische Mangelschmerz ist nun entsprechend somatisiert!). Funktionelle Magen-Darm-Beschwerden, Reizdarm, Magenübersäuerung, auch Durchfallneigung weisen auf die narzisstisch bedingten «Verdauungsbeschwerden» hin. Ehrgeiz, Gier, Neid, Erfolgsdruck und Kränkungserfahrung belasten die emotionale Verarbeitungsfunktion des Magen-Darm-Traktes. Mit der Neurodermitis schreit das Kind förmlich seine Berührungsbedürftigkeit hinaus, mit der allergischen Reaktion wird die nicht bestätigte Lebendigkeit gebremst – man muss sich vor den «Allergenen» schützen und so die expansive Lebenslust einschränken.
Ich will nicht missverstanden werden. Jede Erkrankung entsteht aus dem Zusammenspiel verschiedener Faktoren, die individuell zu finden und zu verstehen sind. Dabei spielt das narzisstische Problem jedoch häufig eine wesentliche, wenig erkannte und verstandene Rolle. Ein zentraler Satz zum Verständnis der spezifischen narzisstischen Wirkung lautet: «Ich muss mich ständig anstrengen und bemühen, weil ich sonst keine Anerkennung und Berechtigung erfahre.» Ins Unbewusste übersetzt heißt das: «Ich tue alles und bin ständig damit beschäftigt, den Schmerz der Lieblosigkeit zu vermeiden. Ich leiste Großes, um zu beweisen, dass ich doch liebenswert bin.» So sorgt das narzisstische Defizit für Dauerstress mit den entsprechenden Einflüssen auf energetische Überladung und daraus resultierende Krankheitsentwicklungen.
Der Größenklein-Narzisst verwendet seine Lebensenergie zur ständigen Bremsung seiner Lebendigkeit und Ansprüche. Sein zentraler Satz ist: «Ich muss meine Ansprüche zurücknehmen, denn nur wenn ich hilfsbedürftig bin, erfahre ich Zuwendung und Umsorgung.» Als Kind hatte sich die Mutter nur bei Erkrankungen und Problemen um das Kind bemüht und es entsprechend betreut. Für das Kind sah das aus wie Liebe, aber die Sorge der Mutter diente vor allem der Beruhigung ihres Schuldgefühls oder der Demonstration der Rolle «gute Mutter». Für das Kind jedoch entstand eine verhängnisvolle Verbindung von Leid und Zuwendung als Genese des Größenklein: «Nur wenn ich bedürftig bleibe, meine Möglichkeiten
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