Die narzisstische Gesellschaft
und die schönsten Dinge des Lebens gemeinsam zu gestalten: im gemeinsamen Essen die Esskultur zu steigern, sich im Sex besondere Höhepunkte zu bereiten und seelische und körperliche Zärtlichkeiten zu schenken.
Der Narzisst ist zur Empathie nicht fähig. Die ausschließliche Fixierung auf sich selbst sichert sein Überleben, da er sein Leben als nicht gesichert erlebte. Ein anderer wird nur insoweit gesehen und verstanden, als er zur Selbstbestätigung taugt. Das Gegenüber wird danach «gescannt», inwiefern es als Selbstobjekt verwendbar ist oder verwendbar gemacht werden kann. Der Wert des anderen ergibt sich nicht aus dessen Sein an sich, sondern aus dessen Nutzen für die narzisstische Regulation. Von einem Narzissten geschätzt und «gemocht» zu werden, bedeutet also nicht sehr viel – man ist auf keinen Fall wirklich gemeint, kann aber durch die Verwendbarkeit (für narzisstische Größe oder narzisstische Selbstabwertung) so lange höchste Zuneigung erfahren, wie dadurch die narzisstische Regulation gesichert wird.
Der Narzisst ist ständig damit befasst, sein beschädigtes Selbst zu schützen. Er kann sich nur um sich selbst drehen – nicht etwa aus Eitelkeit, wie fälschlicherweise oft angenommen wird, sondern aus Not. So verliert der Narzisst die Mitmenschlichkeit; es bleibt für andere im Grunde nichts mehr übrig, da er permanent damit befasst ist, das eigene Selbst zu stabilisieren.
Ein Narzisst kann auch Mitgefühl lernen, allerdings nur im Modus des «Als-ob», um besonders gut und überlegen zu erscheinen – eine raffinierte Kompensation, die mitunter bei Therapeuten zu finden ist, die sich als alles verstehende und gewährende Gutmenschen aufbauen, aber auch bei Politikern, die vorgeben, für «die Menschen» zu handeln, und es mitunter selbst glauben –, aber vor allem mittels Wählerstimmen durch Machterhalt ihre narzisstische Bedürftigkeit regulieren. Der vielbeschworene «Wähler» ist im Grunde nie gemeint, wird aber dringend gebraucht. Nur auf der Basis einer solchen Abwehr kann ein narzisstisch geprägter Politiker Entscheidungen treffen und handeln, ohne Skrupel zu empfinden, da ihm für das Einzelschicksal vollständig die Empathie fehlt, aber die «großen Dinge» bewältigt werden müssen. Der narzisstische Politiker gewinnt seine Bedeutung aus «der Geschichte» und kann so über Leichen gehen. Nur so lässt sich etwa die Seelenlage eines Feldherrn begreifen, der «seine» Truppen in eine Schlacht führt, in der Tausende mit Sicherheit sterben werden. Das Einzelschicksal spielt keine Rolle mehr, weil es nicht wahrgenommen wird. In einer Partnerschaft mit einem Narzissten klagen Frauen oft über das Unvermögen ihres Partners zu fühlen – sofern sie sich nicht in konarzisstischer Kollusion mit ihm befinden. Alle Vorwürfe in dieser Hinsicht bleiben jedoch sinnlos, weil die Gefühlsabwehr überlebenswichtig ist. Ein Narzisst kennt kein Mitgefühl, alle seine emotionalen Regungen betreffen das Selbstmitleid. Wenn ein Narzisst weint, ist das nicht Ausdruck echten Mangelschmerzes, sondern ein Symptom der Kränkungsverletzung, mit der das unsichere Selbst vor der wirklichen Erschütterung geschützt wird. Echte Gefühle werden durch Abwehrgefühle (Selbstmitleid, Kränkung, narzisstische Wut) verhindert.
Die häufigsten Varianten einer kollusiv-narzisstischen Partnerschaft sind:
Beide Partner sind sich unabgesprochen einig darin, dass ihre Beziehung unbedingt harmonisch ist und bleibt. Es wird von beiden Seiten immer wieder Übereinstimmung angestrebt; der eine ist des anderen Spiegel. So werden Spannungen und Konflikte vermieden, die das Risiko beinhalten, dass im Falle einer Niederlage, Beschämung oder Kränkung das unterdrückte Minderwertigkeitsgefühl – bei dem einen oder dem anderen oder bei beiden – wiederbelebt werden könnte. So stimmt man lieber gerne zu und wird sich schnell einig. Im Laufe der Zeit haben beide sich so angenähert, dass sie sowieso das Gleiche wollen, denken, fühlen und tun. Wirkliche Subjektivität, Verschiedenheit und Andersartigkeit werden verhindert oder geleugnet. Der hohe Preis einer selbstentfremdenden Anpassung bringt einen Gewinn in Sachen Entängstigung; die narzisstische Labilität wird in Schach gehalten. Die unerlässliche Zustimmung des Partners lässt die Illusion zu, dass man richtig und gut sei.
Ein Leben in Übereinstimmung ist wie eine schmerzstillende Droge angesichts basaler Unsicherheit und Ungewissheit.
Dialoge
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