Die Naschkatzen
Stöße vom Sieg entfernt war, richtete er sich auf und rieb seinen Queue mit Kreide ein. »Eines kann ich dir sagen: Ich habe sehr früh erfahren, dass das Leben voll von Lug und Betrug ist.« Wieder beugte er sich über den Tisch und fügte hinzu: »Ich glaube nicht an den Weihnachtsmann«, während er die erste Kugel in einer Tasche versenkte. »Und ich glaube auch nicht an den Osterhasen.« Die zweite Kugel fand ihr Loch. »Und ebenso wenig glaube ich an die angeborene Güte der Menschen.« Die dritte Kugel verschwand.
»Aber ich glaube an Sophie.«
Er versenkte die vierte Kugel, bevor er sich aufrichtete, um seinen Queue erneut mit Kreide einzureiben, was er bereits dreimal zuvor hätte tun sollen, doch das hätte die Wirkung zunichte gemacht. Unkluges Poolspiel, aber aufschlussreiche Psychologie.
»Und genau deshalb werde ich dafür sorgen, dass Sophie bekommt, was sie will.« Er grinste Phin an. »Und Himmel nochmal, sie will dich.« Er beugte sich wieder über den Tisch und sagte: »Spielball«, während Phin beobachtete, wie er seinen Queue auf den leichten Stoß in die Ecktasche ausrichtete, der das Spiel beenden würde. Doch dann riss Davy den Queue um einen Bruchteil zur rechten Seite, bevor er stieß.
Die Kugel rammte in die Tasche und sprang wieder heraus.
»Ich sollte beim Spielen den Mund halten«, philosophierte Davy und trat vom Tisch zurück.
Phin griff nach seinem Queue, kreidete ihn ein, nahm Maß für seinen Stoß und versenkte die Kugel, um anschließend den Tisch abzuräumen und die Partie zu gewinnen. Er wandte sich zu Davy um, der einen Zwanziger aus seiner Brieftasche hervorkramte, und sagte: »Für den absolut unwahrscheinlichen Fall, dass wir noch einmal gegeneinander spielen sollten, musst du wissen, dass Pool für mich eine Art Religion ist. Also versuche nie wieder, mir einen Sieg zu schenken.«
Davy wurde still und nickte. »Du hast Recht. Tut mir Leid.« Er steckte den Zwanziger zurück in seine Brieftasche.
»Hast du wirklich geglaubt, das würde einen Unterschied machen?«, fragte Phin.
»Nun ja, es erschien mir ratsam«, meinte Davy. »Im Allgemeinen ist es das Beste, jemandem, von dem man was will, irgendwas anzubieten und ihn nicht in seinem Spiel zu schlagen. Mir war nur nicht bewusst, mit wem ich es zu tun hatte. Aber jetzt weiß ich es.« Er nickte Phin zu. »Es war eine verdammt gute Partie, Harvard. Danke.«
Phin blickte auf den Tisch zurück. »Ja, das stimmt. Aber trotzdem werde ich deine Schwester nicht heiraten.«
»Warum nicht?«, wollte Davy wissen, und Phin sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Du verlebst eine großartige Zeit mit ihr, der Sex ist offenbar toll, sie ist hübsch, sie hat Humor, sie ist liebevoll, sie wäre eine wunderbare Mutter, deine Tochter ist verrückt nach ihr, und sie liebt dich.« Er schüttelte den Kopf. »Ich verstehe nicht, warum du dich dagegen wehrst. Du kannst ihr ohnehin nichts abschlagen, sonst würdest du nicht ständig auf der Farm auftauchen.«
»Zeit für dich zu gehen«, meinte Phin verärgert.
»Bin schon weg«, stimmte Davy zu. »Ich denke, ich habe meine Mission erfüllt.«
»Und worin genau besteht diese Mission?«, wollte Phin wissen, während er ihn hinausbegleitete, um die Tür hinter ihm abzuschließen.
»Ich habe dir nur die Augen geöffnet«, meinte Davy. »Sophie spukt dir zwar die ganze Zeit im Kopf herum, doch du hast es einfach noch nicht kapiert. Aber jetzt hast du es offensichtlich begriffen.«
»Komm besser nicht mehr wieder«, sagte Phin. Davy lachte nur, während er die Stufen zur Straße hinunterging.
Phin schaltete das Licht im Laden aus und stieg die Treppe zu seinem Apartment hoch. Es war schon reichlich spät, um... Sophie zu treffen. Sein Schritt verlangsamte sich, als ihm der Rhythmus bewusst wurde, in den er verfallen war. Den Laden abschließen, zur Farm rausfahren, Sophie küssen und den Tag ausklingen lassen. Kein Wunder, dass Davy ihn für einen Heiratskandidaten hielt. Er benahm sich tatsächlich so. Was soll‘s, zur Hölle damit. Heute Nacht würde er zu Hause bleiben. Vielleicht hätte Wes Lust, eine Partie Pool zu spielen.
Ach ja, Wes war ja mit dem Mordfall beschäftigt.
Er nahm seine Autoschlüssel und fuhr durch den Regen zur Polizeistation, ein wenig verwirrt angesichts der Tatsache, dass ihn der Mord nur beiläufig beschäftigte.
11
»Ed hat die Autopsie abgeschlossen.« Wes saß an seinem Schreibtisch, als Phin ihm einen Besuch auf der Wache abstattete. Er klang
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