Die Naschkatzen
Abscheu sah Hildy Virginia an. »Deshalb hast du das Ziel verfehlt, obwohl du so nah dran warst, deshalb war der Einschusswinkel so merkwürdig. Du hast vom Boot aus auf ihn geschossen. Wie blöde bist du eigentlich?«
»Ich habe keine Ahnung, wovon ihr sprecht«, entgegnete Virginia. »Aber ihr solltet wissen, dass mich eure Anschuldigungen schwer treffen. Ich gehe jetzt.«
Auf Sophie machte sie einen tief entrüsteten Eindruck.
»Natürlich können wir nichts davon beweisen«, wandte sich Hildy düster an Liz, während Virginia sich an ihr vorbeischob und die Haustür aufriss.
Sie wird damit durchkommen , dachte Sophie, bevor sie Liz wie eine Kobra lächeln sah.
»Wir müssen es auch gar nicht beweisen«, meinte Liz. »Wir müssen nur reden.«
»Was?« Hildy hob die Augenbrauen, bis sich ihre Miene aufhellte. »Oh, ja, natürlich. Das werden wir. Wir werden jede Menge klatschen, Virginia.«
Na wunderbar ; dachte Sophie.
Virginia verharrte regungslos.
»Darüber, wie sehr du Sophie hasst«, fügte Hildy fröhlich hinzu. »Darüber, dass du für die fragliche Zeit kein Alibi hast.« Hildy schaute Virginia geradewegs ins Gesicht. »Darüber, dass Rachel auf der Flucht vor dir nach L. A. abgehauen ist.«
Vor Zorn lief Virginia rot an. »Das ist nicht wahr. Rachel und ich stehen uns sehr nahe. Und -«
»Wir werden allen erzählen, was für eine lausige Mutter du bist«, fuhr Hildy fort. »Wir müssen dich gar nicht zu Wes bringen. Wir können das schon alleine in die Hand nehmen.«
»Und natürlich...«, begann Liz.
Schäumend vor Wut wandte Virginia sich ihr zu.
»... werden wir dein Votum auf der Ratssitzung heute ganz genau beobachten«, vollendete Liz den Satz.
»Ihr könnt doch nicht -«, setzte Virginia an.
»Doch, das können wir.« Voller Vorfreude wippte Hildy auf ihren Zehenspitzen. »Ein falsches Votum, und wir hängen uns ans Telefon. Und jeder wird uns zuhören. Das tun sie doch immer, oder, Virginia?«
Virginias Augen glitten von Hildy zu Liz. Sie sah aus wie ein Nerz in der Falle, und Sophie hätte Mitleid für sie verspürt, hätte sie sich nicht kurz zuvor als derart unmenschlich entlarvt.
»Wenn du dich noch einmal mit mir anlegen solltest, werde ich dich fertig machen«, meinte Liz erbarmungslos zu Virginia. »Versuche nie wieder, meine Familie zu belästigen.«
»Ich habe doch nicht -«, begann Virginia verzweifelt.
»Und dazu gehört auch Sophie«, fuhr Liz ihr über den Mund.
Verblüfft schnappte Sophie nach Luft.
»Stimmt, das ist der andere Teil der Abmachung«, ließ Hildy sich vernehmen. »Du wirst auf der Stelle aufhören zu versuchen, Sophie ins Jenseits zu befördern. Sobald ihr ein Haar gekrümmt wird, hängen wir am Telefon.«
Zwischen zusammengepressten Zähnen holte Virginia tief Luft und bedachte Sophie mit einem vernichtenden Blick.
»Du solltest besser gar nicht daran denken«, sagte Liz Tucker. »Sobald du ihr zu nahe kommst oder irgendetwas gegen sie sagst, werde ich dich so sehr fertig machen, dass noch nicht einmal mehr Junie Martin in deine Richtung schauen wird.«
»Ach, du lieber Himmel«, entwich es Sophie.
Zum ersten Mal, seitdem sie bei Virginia angekommen waren, sah Liz Sophie an. »Leg dich nie mit einer Tucker an.«
»Nein, Ma‘am«, antwortete Sophie.
Als Phin in den Ratssaal kam, war dieser bereits mit einer aufgebrachten Menschenmenge gefüllt, aber am Konferenztisch saßen nur Ed und Frank.
Amy und Sophie traten durch die Tür und nahmen in der ersten Reihe Platz.
»›Das ist nicht die kleine Handelskammer, Brad‹«, flüsterte Sophie Amy zu.
Amy nickte und ließ ihren Blick über den Marmor und das Walnussholz schweifen. »›Gott sei Dank befinden wir uns auf einer Kegelbahn‹.«
Sie sind nervös , dachte Phin und konnte es ihnen nicht verdenken.
Sophie drehte sich um und fing seinen Blick auf. Trotzig reckte sie ihr Kinn vor, und er dachte, Na bestens, sie zeigt mir immer noch die kalte Schulter.
In diesem Moment betraten Stephen und Virginia den Raum, gefolgt von Hildy und Liz, sodass er Sophie aus seinen Gedanken verdrängte und sich stattdessen auf die anstehenden Probleme konzentrierte.
Stephen platzte beinahe vor Selbstzufriedenheit, als er stehen blieb, um Hände zu schütteln und dem gemeinen Volk huldvoll zuzunicken, während Virginia einen merkwürdig angespannten und nervösen Eindruck machte. Hildy schlängelte sich um sie herum und ließ sich auf ihren Stuhl Phin gegenüber fallen. »›Bitte legen Sie Ihre
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