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Die Naschmarkt-Morde

Titel: Die Naschmarkt-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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hier zugeteilt?«
    »Aber wo. Ich versehe nach wie vor meinen Dienst in der Gruppe Nechyba. Ich habe nur zufällig hier vorbeigeschaut …«
    »So, so … zufällig vorbeigeschaut …«, wiederholte Goldblatt in Gedanken versunken, kramte abermals die Packung Ägyptische hervor, bot Pospischil eine an, gab ihm Feuer und stellte dann in harmlosem Ton folgende Frage: »Und … bei dem Mädchenmord unten am Naschmarkt, gibt es da was Neues?«
    »Was soll es denn bei einem Mord Neues geben? Tot ist tot. Da gibt es nichts Neues mehr.«
    »Schon, schon … da haben Sie vollkommen recht. Wenn man gestorben ist, ist es aus. Tot ist tot, nicht wahr? Nur in Mordfällen stellt sich halt immer die Frage nach dem Mörder …«
    »Das ist korrekt«, replizierte Pospischil mit zynischem Grinsen. Es trat Stille ein. Die drei Männer pafften Rauchringe in die muffige Luft der Amtsstube.
»Sagen Sie, Herr Polizeiagent, wann haben Sie denn heute Dienstschluss?«
    »So um vier, halb fünf … Warum?«
    »Weil ich Sie gerne auf einen Kaffee einladen würde. Zum Beispiel ins Café Landtmann am Franzensring 51 . Da könnten wir in Ruhe ein bisserl plaudern.«
    Pospischil streifte mit einem Seitenblick den Sicherheitswachebeamten und registrierte, dass dieser beim Rauchen stumpf vor sich hinstarrte. Er selbst nahm einen tiefen Lungenzug, blickte Goldblatt schmunzelnd an und sagte: »Ich glaube, das lässt sich einrichten, Herr Redakteur.«
     
    Die Sonne stand schräg hinter den neugotischen Türmen und Erkern des Wiener Rathauses. Sie tauchte den Rathauspark, die von Bäumen gesäumte Ringstraße, das Burgtheater sowie das daneben befindliche Café Landtmann in flirrendes Licht. An der Ringstraßenseite war dem Café ein mit mannshohen Topfpflanzen begrünter Schanigarten vorgelagert. Hier ließ es sich trotz der Hitze angenehm sitzen, Kaffee sowie diverse kühle Getränke trinken, Zeitungen lesen und tagträumen.
    Normalerweise wäre Letzteres der bevorzugte spätnachmittägliche Zeitvertreib des Redakteurs gewesen – wenn er nicht bis halb 8 Uhr abends eine fundiert recherchierte Geschichte in der Redaktion abliefern hätte müssen …
    Voll innerer Anspannung saß er nun da, wetzte auf dem Sessel hin und her, trank bereits den zweiten doppelten Mokka sowie das fünfte Glas Wasser. Er hatte das dringende Bedürfnis, die zu sich genommenen Flüssigkeiten wieder von sich zu geben. Aufstehen und aufs Klo gehen wollte er jedoch nicht, da er befürchtete, den vielleicht eintreffenden Pospischil zu verpassen. Sein journalistischer Spürsinn sagte ihm, dass der Polizeiagent irgendetwas über den Mädchenmord wusste. Denn die süffisante Art und das überlegene Grinsen in Pospischils Gesicht entsprachen so gar nicht seiner sonstigen Art. Wann immer Goldblatt ihm im Laufe der letzten Jahre begegnet war, hatte Pospischil meist einen ausdruckslosen, fast steinernen Gesichtsausdruck. Gemütsregungen zu zeigen, war nicht Pospischils Art. Und deshalb war sich Goldblatt sicher, dass er diesmal irgendetwas Wissenswertes im Talon hatte.
»Ah, da ist ja der Herr Redakteur … Warten Sie schon lange?«
    »Nein, nein. Ganz im Gegenteil. Vielleicht fünf Minuten …«, log Goldblatt. Pospischil nahm ihm gegenüber Platz, sodass sein Rücken zur Sonne gerichtet war. Er bestellte ein Schwechater Speziallager, trank von dem Bier einen gierigen ersten Schluck und saß dann stumm da. Für Goldblatt lag das Gesicht des Polizeiagenten im Gegenlicht; eine dunkle Fläche, die von der allmählich tiefer stehenden Sonne umstrahlt wurde. Plötzlich sagte Pospischil: »Was wäre es Ihnen wert, wenn ich Ihnen den Namen des Naschmarktmörders verraten würde?«
    Goldblatt riss es fast vom Sessel. Er überlegte einen Augenblick und nannte Pospischil dann eine Summe. Dieser schwieg eine Weile, nahm einen weiteren Schluck von seinem Bier und sagte schließlich: »Also, gehen wir es an. Nehmen Sie einen Griffel zur Hand, Herr Redakteur, und notieren Sie …«

IX/2.
    Der Abend war lau. Die Hitze, die untertags faul auf der Stadt gelegen hatte, war von einem frischen Wind fortgeblasen worden. Ein Abend, der dazu einlud, die Stadt zu verlassen und hinaus ins Grüne zu fahren: in den Garten eines der Heurigen draußen in Grinzing, Sievering oder Ottakring am Rande des Wienerwaldes, hinunter in den Prater in eines der Tanzcafés oder zu den künstlich angelegten Kanälen des Vergnügungsviertels Venedig in Wien. Wer aber ohne großen Aufwand das milde Abendlüfterl und allerlei

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