Die Naschmarkt-Morde
Blumenstrauß mitgebracht …«
»Mizzi, halt gefälligst den Mund, wenn sich die gnädige Frau mit mir unterhält. Es hat dich keiner g’fragt.«
Inzwischen wurde das Leberpüree mit Eiern zubereitet. Es ist dies eine Suppe, für die Rindsleber feinblättrig geschnitten und danach in Mehl gewälzt wird. In einer Kasserolle werden in erhitzter Butter geschnittene Zwiebel, die Leberblättchen mit den Fleischabfällen des Lammshasen angeröstet und danach mit Rindssuppe und Wasser aufgegossen, gesalzen, gepfeffert und gekocht. Vor dem Servieren werden die Leber- und Fleischstücke sowie die Zwiebeln aus der Suppe abgeseiht. Mit einem Löffel passiert man die weichen, cremigen Leberteile durch das Sieb. Eier werden hart gekocht und geschält, das Eiweiß wird vorsichtig von den harten Dottern getrennt und gehackt, danach beides der Suppe beigefügt.
»Einen Blumenstrauß hat er Ihnen geschenkt, der Inspector? So, so … Er wird doch am Ende kein Auge auf Sie geworfen haben?«
Nun musste sich die Litzelsbergerin eisern beherrschen, um nicht rot zu werden. Dies gelang ihr dadurch, dass sie sich vorstellte, die Mizzi übers Knie zu legen und dem vorlauten Dienstmädel mit dem Teppichpracker 61 den Hintern zu versohlen. Der Frau Hofrat antwortete sie, während sie den bei mäßiger Hitze im Ofen bratenden Lammshasen mit Saft begoss: »Glauben Sie, gnädige Frau, dass ein höherer Beamter, der sich noch dazu in den besten Mannesjahren befindet, ein Auge auf einen Dienstboten wie mich wirft? Ich entspreche ja nun wirklich nicht mehr dem Ideal des süßen Wiener Mädels. Aus dem Alter bin ich längst heraußen. Leider …«
»Aber Aurelia! So was sollen Sie nicht sagen. Schließlich sind Sie eine stattliche Frau. Und wenn ich ein Mann wäre, könnte ich mir schon vorstellen, dass Sie mir gefallen täten …«
Das war nun denn doch zu viel. Flammende Röte schoss der Köchin in den Schädel, und ihr fiel nichts Besseres ein, als »Aber gnädige Frau …« zu murmeln.
Um sich abzulenken, bereitete die Köchin nun den gespickten Igel zu. Dazu ließ sie Mizzi Butter flaumig abtreiben und rührte dann nach und nach fünf Dotter, fein gestoßene, ungeschälte Mandeln, ein Täfelchen geriebene Schokolade, eine Messerspitze geschnittene Zitronenschalen, etwas fein gestoßenen und gesiebten Zucker sowie ein paar mit Rotwein benetzte Bröseln hinein. Schlussendlich mengte sie den Schnee von drei Eiklar darunter. Inzwischen hatte die Mizzi melonenförmige Backformen innen mit Butter bestrichen und mit Mehl bestaubt. Die Litzelsbergerin füllte die Masse in diese Formen und schob sie ins Backrohr. Eine halbe Stunde später würde sie sie dann aus dem Rohr nehmen, die Mehlspeisen stürzen und igelförmig mit Mandelstiften verzieren sowie mit einem Weinguss 62 vollenden.
Die Stille, die ihrer Bemerkung folgte, war der Hausherrin nun ebenfalls peinlich. Sie zog sich mit einem »Nichts für ungut …« aus der Küche zurück und schloss leise die Tür von außen. Kaum dass sich ihre Schritte im Vorzimmer entfernt hatten, drehte sich die Litzelsbergerin um und haute der Mizzi eine Fürchterliche runter.
XV/2.
Es war gegen 2 Uhr Mittag, als Joseph Maria Nechyba mit vor Hunger laut knurrendem Magen die k. k. Polizei-Direction am Schottenring verließ. Ein gewaltiges Arbeitspensum hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits erledigt. Gleich in der Früh bat er – sein unmittelbarer Vorgesetzter, der Leiter des k. k. Polizeiagenteninstituts weilte auf einer längeren Kur – um eine Vorsprache beim Zentralinspector Ferdinand Gorup von Besanez. Da die Aufklärung des Naschmarktmordes aufgrund des öffentlichen Interesses auch für die hohen Herren in der k. k. Polizei-Direction höchste Priorität hatte, bekam er noch am selben Vormittag einen Termin. Der Zentralinspector war um einige Jahre älter als Nechyba, ein drahtiger Mann mit sorgfältig gestutztem Vollbart und Bürstenfrisur. Am Schreibtisch sitzend, ohne von seiner Arbeit aufzublicken, kam er sofort zur Sache: »Na, wie schaut es aus, Nechyba? Haben wir in der Naschmarktaffäre hieb- und stichfeste Beweise gegen den … wie heißt er gleich?«
»Schöberl heißt er, Herr Zentralinspector. Anastasius Schöberl.«
»Ah ja. Also, was haben wir gegen den Schöberl in der Hand? Haben Sie seine Wohnung durchsucht? Zeugen, Verwandte, Bekannte befragt? Ist er schon früher straffällig geworden?«
»Das ist alles nicht so einfach. Die Sache verhält sich nämlich folgendermaßen:
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