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Die Naschmarkt-Morde

Titel: Die Naschmarkt-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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ausgewalkt, nochmals dreimal übereinandergelegt und unter vorsichtigem Hinzugießen von Wasser geknetet, bis er schließlich geschmeidig war. Den fertigen Teig schob die Litzelsbergerin zum Rasten in ein Eck und baute sich dann vor dem Inspector auf. Sie sah ihm direkt in die Augen und stellte ihn zur Rede: »Herr Joseph, was soll das Theater? Sie machen mich mit Ihrer Fragerei über meine Arbeit, mit Ihren Komplimenten, Geschenken und auch mit Ihrer Anwesenheit ganz narrisch. Ich bin eine einfache Frau, der Sie augenscheinlich den Kopf verdrehen wollen. Nur wird das bei mir nix werden. Damit das ein für alle Mal klar ist. Sie sollten jetzt gehen und mich in Ruhe lassen!«
    Nechyba war, als ob man ihn mit einem Kübel kaltem Wasser angeschüttet hätte. Er ließ aber nicht locker. Im Gegenteil: Er kniete vor der Köchin nieder, nahm ihre Hand und setzte zu einer Liebeserklärung an. Just in diesem Augenblick öffnete Mizzi die Küchentür, gab ein erstauntes Aaah! von sich und blieb blöde gaffend vor der oben geschilderten Szene stehen. Nechyba versuchte zu retten, was zu retten war. Er stand auf – ohne die Litzelsbergerische Hand loszulassen –, sah die Mizzi streng an und sagte: »Gut, dass du gerade hereingekommen bist. Erstens sollst du ruhig wissen, dass ich die Frau Aurelia am Sonntag ausführen werde. Unter allen Umständen und bei jedem Wetter. Zweitens wollte ich dir eh noch ein paar Fragen stellen. Also steh nicht da wie die Kuh vorm neuen Tor. Mach gefälligst die Küchentür zu und erzähl mir jetzt ganz genau, was du über diesen Planetenverkäufer, den Gotthelf, weißt.«
    Zu seiner Überraschung entzog ihm die Litzelsbergerin erst nach geraumer Zeit ihre Hand. Das Mädchen war völlig kleinlaut und berichtete brav, was sie über den schönen Stani wusste. Als die Befragung zu Ende war, schickte die Köchin das Mädel um ein paar Einkäufe. Joseph Maria Nechyba entschuldigte sich bei der »lieben Frau Aurelia« für die kompromittierende Situation, in die er sie gebracht hatte. Die Köchin nahm die Entschuldigung kommentarlos zur Kenntnis. Nechyba zog sich auf seinen Sessel zurück und schaute zu, wie sie im goldenen Nachmittagslicht zwischen all den Töpfen, Pfannen und Kasserollen am Herd agierte.
    Der Teig wurde nun hauchdünn ausgerollt, in eine ovale Backform gegeben, mit Kukuruz 65 ausgefüllt und im Rohr goldgelb gebacken. Danach schüttete die Köchin den Kukuruz weg, stürzte die Kruste behutsam aus der Form, bestrich sie innen und außen mit Eidotter und ließ sie im heißen Rohr kurz trocknen. Nun begann sie, die Suppenspargel zu putzen, deren obere Drittel abzuschneiden und diese in Salzwasser zu kochen. Später würden die abgetropften Spargelspitzen dann in zerlassener, heißer Butter geschwenkt und in die Kruste, die mit der Rundung nach unten auf einer Platte lag, gefüllt werden. Rund um die spargelbefüllte Kruste würde die Köchin dann das in Scheiben geschnittene Bries anrichten. Mitten in ihrer Arbeit hielt die Litzelsbergerin plötzlich inne, sah zu dem Inspector hinüber, schmunzelte und sagte: »Sie werd ich anscheinend nicht mehr los, Nechyba.«
    Wobei »Nechyba« entschieden zärtlicher als »Herr Joseph« klang.

XVII/2.
    Als Mizzi aus dem kühlen Hausflur auf die Gasse hinaustrat, musste sie unwillkürlich nach Luft schnappen. Die brütende Hitze des hochsommerlichen Nachmittags legte sich schwer auf ihre Brust. Bereits nach wenigen Schritten begann sie heftig zu transpirieren. Mit jedem weiteren Schritt bereute sie, dass sie in der Früh einen Unterrock angezogen hatte. Das hätte sie sich wirklich sparen können! Mehrmals wischte sie sich mit dem Schürzenzipfel den Schweiß vom Gesicht. Das grelle Sonnenlicht schmerzte in den Augen. Mit ihrem langen Unterrock, einem weiß-blau gestreiften Überrock, weißer Schürze, die nicht mehr ganz sauber war, und einer gestärkten weißen Bluse mit hohem, rüschenbesetzten Kragen ging sie durch die Straßen der fast ausgestorbenen Stadt. Keine Fußgänger, keine Fuhrwerke, nichts. Im Schatten einer offenen Toreinfahrt lag müde hechelnd ein Hund. Mizzi musste sich nicht lange den Kopf über die Gründe der großen Leere zerbrechen. Schließlich schrieb man bereits den zehnten Juli. Da hatten sich schon viele Menschen auf Sommerfrische begeben. Automatisch dachte sie dabei an die sommerlich verlassenen Wohnungen mit den abgedunkelten Räumen, zugedeckten Sitzgarnituren und fest verschlossenen Kästen. Der scharfe Naphthalin-

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