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Die Naschmarkt-Morde

Titel: Die Naschmarkt-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Einerseits hat der Schöberl einen Hang zu Gewalttätigkeiten, das ist amtsbekannt. Das spräche dafür, dass er der Täter ist. Andererseits haben wir bei der Durchsuchung seiner Wohnung nix gefunden. Kein Seidentuch, keinen Schal, nix. Dagegen spricht außerdem, dass er – ich hab ihn mir neulich im Polizeigefangenenhaus vorführen lassen – Stein und Bein schwört, er sei es nicht gewesen.«
»Und das Geständnis?«
    »Das ist – mit Verlaub – ein Tinnef 63 . Das ist nicht einmal das Papier wert, auf dem es geschrieben steht. Das haben der Pospischil – ein Polizeiagent aus meiner Gruppe – und ein paar Sicherheitswacheleute vom Kommissariat Fleischmanngasse aus ihm herausgeprügelt. Der Schöberl schaut aus, wie wenn eine Dampftramway über ihn drüberg’fahren wäre.«
»Und hat er ein Alibi?«
    »Bisher nicht. Er wohnt auf Untermiete im Haus seines Arbeitgebers in der Gumpendorferstraße. Die Hausmeisterin dort hat ausgesagt, dass er in der fraglichen Nacht ziemlich spät und stockbesoffen heimgekommen ist. Trotzdem: Der Schöberl ist kein Würger. Der ist vom Typ her ein Schläger. Einer, der im Affekt einem Mädel den Schädel einschlägt. Aber keiner, der jemanden verfolgt, anspringt und von hinten mit einem Tuch stranguliert. Außerdem gibt es keinerlei Hinweise, dass der Schöberl und die Gräfin irgendetwas miteinander zu tun gehabt hätten.«
    »Wenn er besoffen heimgekommen ist, muss er sich ja vorher irgendwo seinen Rausch angetrunken haben. Schauen Sie, dass Sie herausfinden, wo das war! Gibt es eigentlich noch andere Verdächtige?«
    »Leider nein, Herr Zentralinspector … Allerdings war da so eine komische Geschichte, in die die Gräfin Hainisch-Hinterberg verwickelt war. Eine delikate Angelegenheit, die ich von mehreren Seiten gehört habe.«
»So …?«
    »Die Hainisch-Hinterberg hat in den Wochen vor ihrer Ermordung eine Affäre gehabt … Mit einem Planetenverkäufer vom Naschmarkt.«
    »Na da schau her! Das ist ja eine Mesalliance, wie sie im Buche steht. Aber was hat das mit ihrer Ermordung zu tun?«
    »Nun: Erstens würde das erklären, warum sich ein Fräulein aus der besseren Gesellschaft in der Nacht am Naschmarkt herumtreibt. Zweitens scheint es in dieser … hm … Affäre unmittelbar vor dem Mord eine Streiterei gegeben zu haben. Dafür habe ich eine Zeugin. Drittens ist der besagte Planetenverkäufer ein richtiger Weiberheld, der hinter jedem Rock her ist.«
    »Interessant, interessant. Am Ende könnte also dieser Bursche der Mörder sein. Aus verschmähter Liebe, respektive aus verletzter Eitelkeit. Na ja … warum nicht? Ein Motiv wäre das allemal. Also, Nechyba, schauen Sie, dass Sie diesen Herumtreiber erwischen. Und dann nehmen Sie ihn einmal ordentlich in die Mangel. Es muss ja nicht gleich so heftig sein, wie das Ihr Untergebener … der Pospischil … mit dem Schöberl gemacht hat.«
»Jawohl, Herr Zentralinspector. Respekt, Herr Zentralinspector.«
    »Grüß Sie Gott, Nechyba.«
    Er war schon fast bei der Tür draußen, als er sich noch einmal umdrehte, räusperte und zu seinem Vorgesetzten sagte: »Da wär’ noch etwas, Herr Zentralinspector …«
»Na …«
    »Gegen den Pospischil möchte ich ein Disziplinarverfahren einleiten …«
»Wegen des bisserl Prügeln?«
    »Auch. Aber in erster Linie wegen einer Indiskretion der Presse gegenüber.«
»Ist das erwiesen?«
    »Mit Verlaub, ja. Ich kenne den Journalisten, der das geschrieben hat, und der hat mir gesagt, dass er den Zund 64 vom Pospischil bekommen hat.«
    »Na, dann tunken wir ihn ordentlich ein, den Burschen. Statuieren wir ein Exempel, damit das Plaudern mit der Presse nicht einreißt. Das wäre ja noch schöner!«
    »Jawohl, Herr Zentralinspector! Respekt, Herr Zentralinspector.«
     
    Zurück in seinem Bureau, veranlasste Nechyba die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen Pospischil. Weiters schickte er einen seiner Männer zu Schöberl in die Theobaldgasse, um zu eruieren, wo jener in der fraglichen Nacht gesoffen hatte. Zwei weitere Agenten kommandierte er ab, den Gotthelf am Naschmarkt zu suchen, gegebenenfalls zu arretieren und ihn zum Verhör in die Polizei-Direction zu bringen. Als das erledigt war, hatte er einen Bärenhunger und obendrein vom vielen Reden einen staubtrockenen Mund. Deshalb ging er schleunigst auf ein Krügerl frisch gezapftes Pilsener sowie ein Fiakergulasch ins Winterbierhaus in die Wipplingerstraße.

XVI/2.
    »Pssst!«
    Mit beschwichtigenden Gesten und kugelrunden Augen

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