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Die Naschmarkt-Morde

Titel: Die Naschmarkt-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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in die schönen Künste. Er sponserte Aufführungen diverser Vorstadttheater und nahm sich der dort agierenden Schauspielerinnen und Sängerinnen an. Seine schlampigen Verhältnisse und Amouren mit blutjungen Ballettmädeln, aufstrebenden Schauspielerinnen und gefeierten, meist reiferen Theaterdiven waren Legion, bis er vor circa zehn Jahren die Orliczek kennen- und lieben lernte. Seit damals verband die beiden eine erstaunlich stabile Liaison, die auch nicht durch gelegentliche Seitensprünge der einen oder anderen Seite ernsthaft gefährdet werden konnte. Und so war es nicht weiter verwunderlich, dass Beinstein nach der kleinen Eskapade in Abbazzia reumütig zur Orliczek zurückkehren wollte.
     
    Gottergeben ließ er sich von ihr die Leviten lesen und murmelte in einem fort Entschuldigungen und Beschwichtigungen. Er klopfte und kratzte zärtlich an der Wohnungstür und wartete geduldig darauf, dass sie sich beruhigen und ihm die Tür öffnen würde. Als sich die Türe schließlich öffnete, war er nicht wenig überrascht, neben seiner Henriette einen jungen Kerl mit einem Papagei auf der Schulter zu sehen. Dieser lüftete den Hut, grüßte höflich und sagte, indem er an Beinstein vorbeistolzierte: »Wünsche einen schönen Nachmittag, der Herr.«

III/3.
    Nechyba blies Trübsal. Nicht in der Amtsstube am Schottenring, sondern in seinem Stammcafé in der Gumpendorferstraße. Hier im Sperl saß er an seinem Tisch, von dem er auf das Eck Gumpendorferstraße-Dreihufeisengasse hinaussehen konnte. Fast zwei Wochen suchte er nun schon den vermaledeiten Gotthelf. Seit der Ermordung Mizzis war der wie vom Erdboden verschluckt. Da half auch nicht, dass Nechyba praktisch alle Leute seiner Gruppe bei der Suche eingespannt hatte. Jeden Quadratzentimeter der Gotthelf’schen Behausung hatten sie auseinandergenommen – einen Hinweis auf seinen derzeitigen Aufenthaltsort konnten sie nicht finden. Gefunden hatten sie vielmehr drei tadellose Anzüge samt dazugehöriger Wäsche, einen erstklassigen, mit Innenpelz gefütterten Wintermantel (das Fell stammte allerdings nur von einem Kaninchen …), jede Menge Toiletteartikel, Duftwässer und Seifen sowie einen Sparstrumpf, in dem sich erstaunliche 228 Kronen befanden. Das warf für Nechyba natürlich die Frage auf, wie ein dem Straßenhandel nachgehendes Individuum eine solch beachtliche Summe zusammenkratzen konnte. War es möglich, dass der Planetenverkäufer mit seinen Horoskopen so viel Geld verdient hatte? Oder ging er irgendwelchen krummen Geschäften nach? Bei dieser Gelegenheit kamen dem Inspector die immer wieder auftauchenden Abgängigkeitsanzeigen in den Sinn, die vom Land stammende Dienstmädchen betrafen. Immer wieder verschwand eine spurlos samt ihrem Hab und Gut. War Gotthelf am Ende gar ein Serienmörder? Ein Kerl, der sich bei den weiblichen Dienstboten einschmeichelte, sie samt ihren bescheidenen Habseligkeiten vom Dienstplatz lockte, ausraubte und umbrachte?
     
    Im Zuge dieser Spekulationen hatte Nechyba vorderhand einem weiteren Fund in Gotthelfs Wohnung wenig Beachtung geschenkt: einem Bündel Liebesbriefe. Das kultivierte Schriftbild sowie die Qualität des Briefpapiers ließen darauf schließen, dass sie von einer Dame stammten, die der besseren Gesellschaft angehörte. Ein Umstand, der den Inspector irritierte, da er nicht zu seiner Dienstmädchen-Theorie passte. Als er die Briefe nach einigen Tagen schließlich doch las, machten ihn vor allem die Kosenamen stutzig, mit denen die Verfasserin ihre Briefe unterzeichnet hatte: deine dich am liebsten auffressen wollende Minerl, dein dir mit Haut und Haar verfallene Gräfin etc. Nechyba pfiff leise durch die Zähne. Wenn ihn nicht alles täuschte, hatte er damit den endgültigen Beweis in der Hand, dass Gotthelf tatsächlich ein Verhältnis mit der ermordeten Gräfin Hainisch-Hinterberg gehabt hatte. Um die Herkunft der Briefe zweifelsfrei zu klären, bat er die Baronin Schönthal-Schrattenbach um einen Gesprächstermin.
     
    Zwei Tage später empfing Gottburga von Schönthal-Schrattenbach den Inspector um 5 Uhr nachmittags in ihrem Salon. Nechyba war beeindruckt von der prächtigen Ausstattung des herrschaftlichen Hauses sowie von der Größe der Wohnung. Mit zusammengeschlagenen Hacken verbeugte er sich vor der adeligen Dame und hauchte einen Handkuss auf die ihm gereichte Hand. Die Baronin bat ihn, sich zu setzen, und ließ ihm vom Dienstmädchen Tee sowie Gebäck vom k. k. Hofzuckerbäcker Heiner reichen.

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