Die Navigatorin (German Edition)
protestiert wie die ul'chanische Botschaft auf Dartnam. Einige offizielle Noten waren ausgetauscht worden, weiter war nichts geschehen. Aber seitdem bekam Kyrell regelmäßig Einladungen zu offiziellen Anlässen in der Botschaft. Manchmal ging sie hin, damit die Ul'cha sie in Erinnerung behielten. Stets hieß es, man arbeite an dem Problem, könne derzeit aber nichts für sie tun, weil man das gute Verhältnis zur Planetenliga nicht gefährden wolle.
Lediglich einzelne natürliche Navigatoren leisteten stillen Protest, darunter auch Navigatoren, die auf Militärschiffen dienten. Immer wieder kam es vor, dass sich von ihnen geleitete Schiffe verflogen und Wochen zu spät ihren Zielort erreichten. So etwas konnte dem besten Navigator passieren. Seit Kyrell auf Dartnam festgehalten wurde, hatte sich jedoch die Zahl der Irrflüge um zwanzig Prozent erhöht, wie sie einer Statistik entnehmen konnte, die ihr anonym zugespielt worden war. Die Taktik ihrer Kollegen erfüllte Kyrell mit Genugtuung, löste jedoch nicht das eigentliche Problem. Für sie gab es derzeit nur eine Möglichkeit, den Planeten zu verlassen, sie konnte das Angebot annehmen, auf einem Schiff des Geheimdienstes zu dienen, was für sie natürlich nicht in Frage kam.
Wieder einmal kleidete sich Kyrell für einen Empfang in der ul'chanischen Botschaft an. Der Botschafter wollte seinen alten Kulturattaché verabschieden. Die Kulturattachés wechselten alle halbe Jahre nach dem Rotationsprinzip, damit jedes ul'chanische Volk die Möglichkeit hatte, sich und seine Besonderheiten der Planetenliga zu präsentieren. Der Plan war über Jahre festgelegt. Das letzte Mal war der Stab an die Tu' gegangen, ein ul'chanisches Wüstenvolk, deren Krieger sich stets die Gesichter verschleierten. Der Geheimdienst sah keine Veranlassung, Kyrell am Besuch der Feier zu hindern. Eigentlich hatte sie nicht hingehen wollen, weil ihre Zwillinge wegen einer Erkältung leichtes Fieber hatten. Der Botschafter hatte ihre Absage aber so wortreich und drängend bedauert, dass sie sich doch entschlossen hatte, ihre Zwillinge für kurze Zeit der Obhut ihres Babysitters zu überlassen. Kyrell wählte einen hochgeschlossenen türkisen seidenen Hosenanzug, der ihre grüne Augenfarbe unterstrich. Ihr Haar ließ sie offen über ihre Schulter fallen. Sie hatte es seit dem fünften Schwangerschaftsmonat wachsen lassen, seit sie nicht mehr als Navigatorin arbeitete. Wie Kyrell hatte feststellen können, mochten die Ul'cha Seide an ihr, obwohl sie selbst dieses feine Material nur selten trugen. Der Anzug war eine Spur provokant, entsprach jedoch mit seinem den Hals bedeckenden Stehkragen der ul'chanischen Schicklichkeit.
Der Empfang war wie alle anderen Empfänge auch. Man tauschte artige Höflichkeiten aus. Irgendwann nahm der scheidende Kulturattaché Kyrell unauffällig beiseite. Er hieß Da'alder und war ein Mann von beeindruckender Größe und Körperhaltung. Der Schleier gab ihm ein finsteres, majestätisches Aussehen. Auf den vergangenen Empfängen hatte Kyrell nie ein Wort mit ihm gewechselt. Sie war ein wenig verwundert, dass er mit ihr sprechen wollte.
"Ich habe schon von Ihnen gehört, Dame Kyrell. Sie sind die Mutter eines Gilvray", sagte er freundlich zu ihr. Kyrell blickte ihn erstaunt an. "Nun, es ehrt mich, dass Sie Anteil an meinem Schicksal nehmen. Leider gehören meine Töchter keinem ul'chanischen Clan an. Der Vater war bisher nicht in der Lage, sie anzuerkennen."
"Töchter?", fragte Da'alder überrascht.
"Ich habe Zwillinge."
"Natürlich!", lachte Da'alder. "Die Ch'tarr bekommen häufig Zwillinge. Mucar wird sich freuen, wenn er erfährt, dass er sogar zweifacher Vater ist."
Kyrell wurde vor Aufregung heiß. "Sie kennen Mucar?"
"Er ist ein guter Freund von mir und der Grund, weshalb ich ein halbes Jahr auf Dartnam verbracht habe. Eigentlich war jemand anderes für diese Aufgabe vorgesehen. Nun, es war eine recht angenehme Zeit, ich will mich nicht beklagen. Bis morgen früh zur siebenten Stunde befindet sich ein Schiff der Tu' im Orbit. Wenn Sie es immer noch möchten, können Sie mitfliegen."
"Sie stehen in Kontakt mit Mucar? Weshalb haben Sie mich nie angesprochen? Ich hätte ihm durch Sie Briefe zukommen lassen können, Aufnahmen von den Kindern", warf Kyrell dem Attaché aufgeregt vor.
"Ich wollte nicht, dass der Geheimdienst auf mich aufmerksam wird", belehrte er Kyrell. "Wir haben nicht viel Zeit, alles vorzubereiten. Sie müssen sich jetzt entscheiden."
"Die Kinder haben
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