Die Nebel von Avalon
Schauder genauer an und beneidete Morgause insgeheim.
Morgause wirkt so jung. Trotz all ihrer Schminke ist sie immer noch schön. Sie tut, was sie will, und es ist ihr gleichgültig, ob die Männer sie tadeln!
Gwenhwyfar sagte äußerst kühl: »Setzt Euch doch an meine Seite, Tante, und überlaßt die Männer ihren Gesprächen.«
Morgause drückte ihre Hand. »Ich danke Euch, Base. Ich komme so selten an den Hof und bin glücklich, wenigstens einmal unter den Damen zu sitzen und von ihnen zu erfahren, wer mit wem vermählt wurde, wer einen neuen Geliebten genommen hat, oder welche Gewänder und Bänder man jetzt trägt. In Lothian nehmen mich die Regierungsgeschäfte völlig in Anspruch. Mir bleibt wenig Muße, mich mit Frauendingen zu beschäftigen. Deshalb fühle ich mich verwöhnt und geehrt.«
Sie tätschelte Lamoraks Hand, und in der Annahme, niemand würde es bemerken, streifte sie seine Schläfe mit einem verräterischen Kuß. »Ich überlasse Euch den Gefährten, mein Lieber.«
Der schwere Duft, der ihren Bändern und den Falten ihres Gewandes entstieg, machte Gwenhwyfar beinahe benommen, als die Königin von Lothian sich neben ihr niederließ. Gwenhwyfar sagte: »Wenn Euch Euer Amt so sehr in Anspruch nimmt, Tante, warum sucht Ihr dann nicht eine Gemahlin für Agravain und übergebt ihm den Thron seines Vaters? Das Volk kann sicher nicht glücklich sein ohne einen König…«
Morgause lachte warm und fröhlich. »Oh, dann müßte ich unverheiratet leben, denn in Lothian ist der Gemahl der Königin nach altem Brauch König, und das, meine Liebe, würde mir überhaupt nicht gefallen! Lamorak wäre außerdem viel zu jung als König. Aber er hat andere Pflichten, und ich bin sehr mit ihm zufrieden…«
Gwenhwyfar hörte ihr voller Abscheu zu. Wie konnte eine Frau in Morgauses Alter sich mit einem so jungen Mann zum Gespött aller machen? Aber Lamorak wandte den Blick nicht von ihr, als sei Morgause die schönste und begehrenswerteste Frau der Welt. Er beachtete Isotta von Cornwall kaum, die sich gerade an der Seite ihres ältlichen Gemahls, dem Herzog Marcus von Cornwall, vor dem Thron verneigte.
Isotta war so schön, daß sich allgemein bewunderndes Murmeln erhob. Sie war groß und schlank, und ihre Haare glänzten und schimmerten wie eine frischgeprägte Kupfermünze. Aber sicher hatte Marcus mehr an das irische Gold gedacht, das sie ihm mitbrachte, als an ihre Schönheit. Sie trug eine schwere goldene Halskette, eine goldene Fibel am Mantel und in den Haaren irische Perlen. Gwenhwyfar dachte:
Isotta ist die schönste Frau, die ich je gesehen habe.
Neben Isotta wirkte Morgause grell und aufgezäumt.
Trotzdem ließ Lamorak sie nicht aus den Augen. »O ja, Isotta ist sehr schön«, erklärte Morgause, »aber am Hof des Herzogs erzählt man sich, daß ihr mehr an seinem Erben, dem jungen Drustan, liegt, als am alten Marcus. Wer sollte es ihr auch verübeln? Sie ist zurückhaltend und verschwiegen, und wenn sie klug ist, schenkt sie dem alten Mann ein Kind… aber für diese Pflicht sollte sie sich weiß Gott lieber den jungen Drustan aussuchen…« Morgause lachte. »Sie sieht nicht aus, als sei ihr Glück im Ehebett vollkommen. Aber ich glaube, Marcus will von ihr ohnedies nicht viel mehr als einen Sohn für Cornwall. Vermutlich wartet der Herzog nur darauf, um zu verkünden, daß Cornwall ihm gehöre und nicht Morgaine, die es von Gorlois hat… Wo ist denn meine Nichte? Ich kann es kaum erwarten, Morgaine zu sehen!«
»Sie steht dort bei Uriens«, antwortete Gwenhwyfar und warf einen Blick auf den König von Nordwales, der darauf wartete, vor den Thron zu treten.
»Artus hätte besser daran getan, Morgaine nach Cornwall zu verheiraten«, erklärte Morgause. »Aber ich nehme an, er fand, Marcus sei zu alt für sie. Natürlich hätte er sie dem jungen Drustan geben können… Seine Mutter ist mit Ban von der Bretagne verwandt. Er ist ein entfernter Vetter von Lancelot und sieht auch beinahe so gut aus wie er, nicht wahr, Gwenhwyfar?« Sie lächelte fröhlich und fügte hinzu: »Ich hatte völlig vergessen, Ihr seid eine fromme Dame und habt keine Augen für die Schönheit anderer Männer. Aber für Euch ist es natürlich auch einfach, tugendhaft zu bleiben. Ihr seid mit einem kraftvollen, gutaussehenden und tapferen König vermählt!«
Gwenhwyfar glaubte, Morgauses Geschwätz würde sie zum Wahnsinn treiben. Hatte diese Frau nichts anderes im Kopf? Morgause sagte: »Ich nehme an, Ihr müßt ein paar
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