Die Nebel von Avalon
verehren, stellt sich mir meine Aufgabe nicht.«
»Dann«, entgegnete Morgause, »muß ihre Liebe zu ihm nachlassen. Er muß in Verruf gebracht werden. Er ist weiß Gott nicht besser als jeder andere Mensch. Er hat dich mit seiner Schwester gezeugt, und es ist überall wohlbekannt, daß er bei der Königin keine sehr ehrenvolle Rolle spielt. Für einen Mann, der seelenruhig zusieht, wie ein anderer seiner Königin den Hof macht, gibt es einen Namen, und der ist nicht gerade schmeichelhaft.«
»Ich bin sicher, daraus läßt sich etwas spinnen«, sagte Gwydion. »Obwohl man sich erzählt, daß Lancelot in den letzten Jahren Camelot ferngeblieben ist und sehr darauf achtet, nie mit der Königin allein zu sein. Ritter Lancelot möchte sicher nicht, daß auch nur der Schatten eines Verdachts auf sie fällt. Trotzdem erzählt man sich, die Königin habe wie ein Kind geweint, und Lancelot nicht weniger, als er sich von ihr verabschiedete, um an Artus' Seite gegen Lucius ins Feld zu ziehen. Ich habe noch keinen Mann so kämpfen sehen wie Lancelot. Man hätte glauben können, er will sich in den Tod stürzen. Aber er wurde nicht einmal leicht verwundet, als sei sein Leben durch einen Zauber geschützt. Ich frage mich… er ist der Sohn einer Hohepriesterin aus Avalon«, überlegte er, »vielleicht wird er auf übernatürliche Weise beschützt…«
»Morgaine wird wissen, ob das der Fall ist«, erklärte Morgause trocken, »aber ich würde dir nicht raten, sie danach zu fragen.«
»Ich weiß, daß Artus' Leben durch einen Zauber geschützt ist«, erklärte Gwydion, »denn er trägt das Heilige Schwert Excalibur und eine Magische Scheide, die verhindert, daß er Blut verliert. Niniane hat mir erzählt, ohne die Scheide wäre er im Wald von Celidon verblutet… und nicht nur damals. Morgaines Aufgabe ist es, das Schwert von Artus zurückzufordern, es sei denn, er erneuert Avalon den Schwur. Ich bin sicher, meine Mutter ist kundig genug, ihre Aufgabe zu erfüllen. Überhaupt, ich glaube, es gibt wenig, vor dem meine Mutter haltmacht. Von beiden ist mir mein Vater lieber… Er wußte wahrscheinlich nicht, was er angerichtet hatte, als er mich zeugte.«
»Morgaine ebenfalls nicht«, entgegnete Morgause scharf.
»Oh, ich bin es leid, überall ein Loblied auf Morgaine zu hören… Selbst Niniane ist ihrem Zauber erlegen«, erwiderte Gwydion heftig. »Verteidige du sie nicht auch noch, Mutter!«
Morgause dachte:
Darin gleicht sie Viviane. Auch sie konnte jeden Menschen dazu bringen, sich ihrem Willen zu fügen… Igraine heiratete auf ihren Befehl widerspruchslos den alten Gorlois und verführte später Uther… Ich heiratete Lot… und jetzt tut Niniane, was Morgaine will.
Und ihr Ziehsohn, so vermutete Morgause, besaß auch etwas von dieser Macht. Mit unerwarteter Pein dachte sie plötzlich an den Abend vor Gwydions Geburt. Sie erinnerte sich, wie Morgaine mit gesenktem Kopf vor ihr gesessen hatte, während sie ihr wie einem Kind die Haare kämmte… Morgaine war für sie die Tochter gewesen, die sie nie geboren hatte, und jetzt wurde sie zwischen Morgaine und Gwydion hin- und hergerissen. Morgaines Sohn stand ihrem Herzen näher als ihre eigenen Söhne. »Haßt du sie wirklich so sehr, Gwydion?«
»Ich weiß nicht, was ich empfinden soll«, antwortete er und sah sie mit Lancelots dunklen, traurigen Augen an. »Es läßt sich mit den Gelübden von Avalon nicht vereinbaren, daß ich meine Mutter hasse, die mir das Leben schenkte, oder den Vater, der mich zeugte… Wäre ich doch als Sohn meines Vaters in Camelot aufgewachsen und sein treu ergebener Anhänger anstatt sein bitterster Feind…« Gwydion legte den Kopf auf die Arme und sagte leise: »Ich bin müde, Mutter. Ich bin müde und möchte nicht mehr kämpfen. Ich weiß, Artus geht es ebenso… Er hat dieser Insel von Cornwall im Süden bis Lothian im Norden den Frieden gebracht. Mir gefällt der Gedanke nicht, daß ein so großer König, ein so großer Mann mein Feind ist, und daß ich ihn zum Wohl Avalons stürzen und ihm Tod oder Schande bringen muß. Ich wollte, ich könnte ihn einfach lieben wie alle Menschen. Ich würde gerne meine Mutter… nicht dich, Mutter, sondern Lady Morgaine… nicht als große Priesterin sehen, der ich zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet bin, sondern nur als die Frau, die mir das Leben schenkte. Ich wollte, sie wäre meine Mutter und nicht die Göttin. Ich wollte, wenn Niniane in meinen Armen liegt, wäre sie nur die geliebte Frau, die
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