Die Nebelkinder
widerstrebte ihm, Gerswind anzulügen. Andererseits konnte er ihr nicht verraten, was Findig ihm erzählt hatte. Sie durfte nicht einmal wissen, dass der Elb mit ihm gesprochen hatte. Und er dachte an die Warnung Gramans, der ihn vor zu großer Offenherzigkeit gegenüber der schönen Grafentochter gewarnt hatte.
»Du bist dir nicht sicher? Aber Albin, du hast doch meinen Vater zu dem Zwerg im Weinkeller geführt!«
»Vielleicht war es ein Elb, vielleicht aber auch nur ein kleinwüchsiger Mann.«
»Hältst du ihn nicht für Graf Chlodomers Mörder?«
Albin zuckte nur mit den Schultern.
»Meinem Vater käme es sehr gelegen, wenn es diese Nebelkinder wirklich gäbe«, fuhr Gerswind vor. »Und wenn er sie für den Mord verantwortlich machen könnte.«
»Warum?«
»Durch Chlodomers Tod ist die Konferenz gescheitert. Mehr noch, was zu einem Bündnis der Königreiche führen sollte, bedroht jetzt den Frieden zwischen den beiden großen Reichen der West-und Ostfranken.«
»Das verstehe ich nicht«, gestand Albin. »Aber ich weiß auch nichts über diese Konferenz.«
»Ist auch alles sehr geheim. Aber ich halte dich nicht für einen Spion. Oder bist du einer, Albin?«
Der prüfende Blick, mit dem sie ihn bedachte, war nicht ernst gemeint. Albin bemerkte, wie ein kaum unterdrücktes Schmunzeln kleine Grübchen in ihren Mundwinkeln hervorrief.
Er sah sie verschwörerisch an und raunte: »Ich bin der durchtriebenste Spion im ganzen Land. Alles ist so geheim, dass selbst ich es nicht weiß.«
Gerswind lachte und Albin fiel in ihr Lachen ein.
»Es geht um Swatopluk, den Herrn des Großmährischen Reiches, das im Osten an das unsere grenzt«, erklärte sie. »Er hat König Arnulf den Lehnseid verweigert. Arnulf befürchtet, dass die mährischen Horden das Reich überfallen. Er hat meinen Vater zum Mondsee gesandt, um hier im Geheimen mit den anderen Königreichen einen Beistandspakt gegen Swatopluk zu schließen. Und wenn sie schon nicht ihre Waffenhilfe zusagen, dann sollten sie zumindest zusichern, dass sie Arnulf nicht in den Rücken fallen. Aber nach Chlodomers Tod haben sich die anderen Gesandten standhaft geweigert, unserem König irgendwelche Zusicherungen zu geben. Westfranken ist neben unserem das größte Reich, und falls es zum Krieg zwischen beiden kommt, will niemand zwischen den Fronten stehen. Sämtliche Gesandtschaften haben die Abtei verlassen ohne einen Vertrag zu unterzeichnen.«
»Weshalb sollte der Westfrankenkönig unseren Herrscher für den Mord verantwortlich machen?«
»Weil Arnulf allen Gesandten seinen Schutz zugesagt hat. Auch wenn Odo nicht glaubt, dass wir Ostfranken für die Tat verantwortlich sind, könnte er die Gelegenheit nutzen, um einen Krieg vom Zaun zu brechen. Die Bedrohung Ostfrankens durch Swatopluk könnte ihn ermuntern, sich auf die Seite des Mährenkönigs zu stellen.«
»Das klingt reichlich verfahren«, meinte Albin.
»Ist es auch. Mein Vater will den Mondsee nicht verlassen, bevor er den wahren Mörder gefunden hat.«
Fast wäre ein freudiges Strahlen über Albins Gesicht geglitten, er konnte sich gerade noch zusammennehmen. Je länger Graf Guntram nach dein Mörder forschte, desto länger würde auch Gerswind bleiben. Eine Aussicht, die Albins Herz froh machte. Dann aber schämte er sich. Wenn Findig Recht hatte, sollte auch Albin bemüht sein, dem Mörder auf die Spur zu kommen. Nur so konnte das Elbenvolk vor Schaden bewahrt werden.
Nach kurzem Überlegen sagte er zu Gerswind: »Nach allem, was du erzählt hast, hätte Swatopluk ein großes Interesse, die anderen Königreiche zu entzweien. Um so leichteres Spiel hätte er dann mit den Ostfranken.«
»Das hat mein Vater sich auch überlegt. Aber du hast einen Zwerg aus dem Refektorium flüchten sehen und einen Zwerg fand man im Weinkeller. Wie passt das zusammen?«
»Selbst wenn ein Elb oder Zwerg den Mord ausgeführt hat, könnte jemand anderer der Auftraggeber sein.«
Gerswind nickte anerkennend. »Albin, du bist klüger als so mancher königliche Gesandte. Vielleicht sollte ich meinem Vater empfehlen, dich als Ratgeber einzustellen.«
Was Gerswind scherzhaft daher sagte, hätte Albin sehr gefallen, hätte es doch bedeutet, immer in Gerswinds Nähe zu sein. Aber er wusste, dass es nichts mehr war als eine Träumerei.
»Ich habe Hunger«, sagte Gerswind unvermittelt. »Lass uns sehen, wie weit die anderen mit dem Essen sind. Um den Mörder kümmern sich mein Vater, Abt Manegold und Vogt Wenrich.«
»Dem
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