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Die Nebelkinder

Die Nebelkinder

Titel: Die Nebelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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das Kräuterwissen. Vor fast fünfzehn Jahren, als Erchanfried noch Abt von Mondsee war, hatte die Moosliese ihr Lager wieder einmal jenseits der Drachenwand aufgeschlagen. Zumeist brauchte sie nicht lange zu warten, bis die Elben bei ihr vorstellig wurden. Die Nebelkinder schienen es zu spüren, wenn die Moosliese zu ihnen kam. Nach der ersten Nacht wurde sie durch lautes Geschrei geweckt. Im Eingang der Höhle, in der sie übernachtet hatte, lag ein kleines Kind, mit ein paar Tüchern umwickelt und in einen Korb gelegt wie damals Moses, den man im Schilf des Nilufers fand. Und noch etwas lag in dem Korb: ein kleiner Beutel mit Edelsteinen. Die Moosliese nahm Kind und Edelsteine und kam damit zu mir. Ich ließ ihr die Hälfte der Steine als Dank für ihre Ehrlichkeit. Die andere Hälfte gab ich der Abtei als Entgelt für deine Verköstigung und Erziehung. Wer auch immer den Korb vor die Höhle gestellt hat, so ungefähr muss er es sich gedacht haben.«
    »Dann weiß niemand, wer meine Eltern sind, nicht einmal der Moosliese war es bekannt«, sagte Albin, der Gramans Erzählung gebannt gelauscht hatte.
    »Aber wenn meine Eltern Elben sind, weshalb setzten sie mich aus?«
    Graman seufzte schwer. »Das weiß Gott allein.«
    »Und warum hast du immer erzählt, du selbst hättest mich nahe der Abtei im Wald gefunden, Nonus?«
    »Für mich warst und bist du ein menschliches Wesen, ob deine Füße nun denen der Vögel gleichen oder nicht. Aber nicht alle denken so. Die meisten Menschen fürchten, was sie nicht kennen und nicht verstehen. Die Nebelkinder sind für sie Dämonen. Nur als Kind von Menschen war deine Sicherheit gewährleistet. Sogar meinen Abt habe ich deshalb über deine Herkunft belogen.« Graman blickte zur Decke. »Herr, du weißt, dass ich aus gutem Grunde sündigte.«
    Beide schwiegen lange. Der Mönch verstand, dass sein Schützling Zeit benötigte, um sich zu besinnen. Albin hatte stets gespürt, dass er anders war als alle anderen hier am Mondsee. Seit seinem Gespräch mit Findig kannte er den Grund. Und doch, es jetzt noch einmal von Graman bestätigt zu bekommen war wie ein Schlag vor den Kopf. Nun war er endgültig sicher, vom Volk der Nebelkinder abzustammen.
    Endlich sah Albin den Mönch an und fragte: »Was soll ich jetzt tun, Nonus? Wo ist mein Platz? Hier? Oder jenseits der Drachenwand?«
    »Ich habe oft darüber nachgedacht, weil ich ahnte, dass du mir diese Frage eines Tages stellen würdest. Doch ich fand keine Antwort darauf. Es ist wohl so, dass nur du selbst sie geben kannst. Nutze deinen klugen Verstand und denke sorgfältig darüber nach. Und wisse, Albin: Wie auch immer du dich entscheiden magst, mein Segen ist mit dir!«

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    4.
    Die folgenden Tage waren für Albin eine Zeit quälender Ungewissheit. In seinem Kopf jagten die Gedanken nur so hin und her, ohne dass er zu einer klaren Entscheidung gelangte. Was er von Graman über seine Herkunft wusste, war erbärmlich wenig. Findig, der ihm vielleicht mehr hätte sagen können, war verschollen, vermutlich irgendwo jenseits der Drachenwand. Ihn zu suchen wäre ein aussichtsloses Unterfangen gewesen. Albin wusste kaum etwas über das Land der Nebelkinder-seine Heimat. In der unendlichen Welt der Berge, Wälder und Seen konnte Findig überall und nirgends stecken. Nein, Albin musste in der Abtei ausharren und auf Findigs Rückkehr warten. Der Elb hatte versprochen, dass sie sich wiedersehen würden. Und Albin hatte zugesagt, Augen und Ohren offen zu halten, um mehr über den Mord an Graf Chlodomer herauszufinden.
    In dieser Sache war ihm kein Erfolg beschieden. Tagsüber, wenn die Gesandten sich zu Beratungen trafen, war er auf den Feldern, um das Winterkorn auszusäen. Ihm bot sich keine Gelegenheit, die hohen Herren auszuspähen. Er kannte nicht einmal den Grund der geheimen Zusammenkunft. Graman und die anderen Mönche ließen sich nichts entlocken, wussten vielleicht auch nichts. Gut möglich, dass bei einer so wichtigen Konferenz nur Abt Manegold und Dekan Ursinus eingeweiht waren. Auch auf Gerswind traf Albin nicht. Er sah sie nur aus der
    Ferne und immer waren die beiden Nordmänner bei ihr.
    Graf Chlodomer wurde auf dem Kirchhof der Abtei feierlich beigesetzt. Volko, dem es zusehends besser ging, verließ das Siechenhaus nach einigen Tagen. An jenem Morgen reiste die italienische Gesandtschaft ab, tags darauf die Gesandten Hochburgunds und Arelats.
    Zwei Tage später rüsteten auch die Westfranken zum Aufbruch. Albin

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