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Die Nebelkinder

Die Nebelkinder

Titel: Die Nebelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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zogen den Reglosen das letzte Stück zum Steg, wo sie ihn mit Albins Hilfe auf die Bohlen hievten. Dann halfen sie auch dem Findling aus dem Wasser.
    Erschöpft sank Albin neben dem Nordmann nieder und schloss die Augen. Von dem Gefühl getrieben, unendlich viel Luft zu brauchen, atmete er in schnellen, gierigen Zügen. Sein Brustkorb hob und senkte, hob und senkte sich. Er war vollkommen ausgelaugt, wozu sich ein Übelkeit verursachendes Pochen in seinem Kopf gesellte. Der bis jetzt verdrängte Schmerz kehrte mit Gewalt zurück. Sein Schädel wollte zerspringen und sein mit zu viel unfreiwillig geschlucktem Wasser gefüllter Magen drehte sich um. Er kroch zum Rand des Stegs und erbrach sich.
    Danach fühlte er sich etwas wohler, auch wenn der Kopfschmerz blieb. Er konnte wieder klar denken und sah sich nach Arwed um. Der Krieger aus dem fernen Norden lag noch genauso reglos da. Aus der Stichwunde am Hals sickerte Blut. Arweds Kopf war zur Seite gerollt, seine Augen blickten starr in weite Ferne.
    »Was ist mit ihm?«, fragte Albin.
    »Arwed ist zu seinen Ahnen gegangen. Mit ihnen sitzt er in der großen Halle von Odins Palast, trinkt und isst mit den Göttern und übt sich an ihrer Seite täglich im Kampf gegen die Wesen der Finsternis. Ehrenhaft starb er in Erfüllung des Schwurs, den er Graf Guntram geleistet hat. Ich aber habe versagt und die Götter verhüllen ihr Anditz vor meinem Angesicht.«
    Arne, der die Worte voller Inbrunst hervorgebracht hatte, war auf den Steg geklettert, ohne dass Albin es bemerkt hatte. Der überlebende Nordmann kauerte sich neben seinen toten Bruder und betrachtete ihn mit Blicken, die fast neidisch wirkten. Er schien sich zu wünschen, an Arweds Stelle zu sein.
    Der hoch gewachsene Krieger befand sich in einem fürchterlichen Zustand. Er blutete aus zahlreichen Wunden an Haupt und Körper. Das nasse Haar klebte in dicken, langen Strähnen an seinem Kopf. Die große Narbe auf der linken Wange war jetzt besonders gut zu sehen. Der Rabenkopf blickte den Toten an. Arne schien nicht minder erschöpft als Albin. Auch der Nordmann atmete in einem schnellen Rhythmus und mit jedem tiefen Atemzug plusterte sich der eingebrannte Rabe auf.
    Die ganze Anstrengung, Arweds Leben zu retten - vergeblich! Albin fühlte sich noch kraftloser. Am liebsten hätte er sich auf dem Steg zusammengerollt, hätte die Augen fest geschlossen und sich in tiefen Schlaf geflüchtet. Aber die Sorge um Gerswind verdrängte Schmerz, Erschöpfung und Enttäuschung.
    Auf dem See trieb verlassen der umgestürzte Einbaum. Über dem leise plätschernden Wasser dampfte die Nebelsuppe, man konnte kaum fünfzig Fuß weit blicken. Von Gerswind und den anderen Booten war nichts zu sehen und nichts zu hören. Es war, als hätte es die Rotelben und ihr Opfer niemals gegeben.
    »Ich konnte ihr nicht mehr helfen«, sagte Arne, als Albin sich nach Gerswind erkundigte. Er zeigte auf den gekenterten Einbaum. »Die Krieger aus dem Boot waren klein an Gestalt, aber groß an Kraft und Gewandtheit. Wie Lokis Dämonen fielen sie über mich her, und ich hatte Mühe, mich meiner Haut zu wehren. Jeden Einzelnen von ihnen habe ich erschlagen, aber der Kampf dauerte zu lang. Der Nebel hat die anderen Boote längst verschluckt. Und Grimald mit seinen Männern kam zu spät!« Als Arne den letzten Satz aussprach, blickte er den Anführer der Wachen vorwurfsvoll an.
    Der stampfte mit dem Stiefel auf das alte Holz und knurrte: »Du und dein Bruder, ihr hattet die Bewachung unserer Herrin übernommen. Wir kamen herbei, sobald wir den Kampflärm hörten. Schließlich waren wir nicht hier, als die ... die Nebelkinder angriffen.«
    »Eben«, sagte Arne grimmig. »Ihr wart nicht hier!«
    »Streiten hilft uns nicht weiter«, mischte sich Albin ein, der voller Sorge um Gerswind in den dichten Nebel starrte. »Wir müssen etwas unternehmen, um Gerswind zu helfen!«
    »Ich habe schon einen Reiter zur Abtei gesandt«, erklärte Grimald. »Bald wird Graf Guntram jeden verfügbaren Mann ausschicken, um die Ufer des Sees nach seiner Tochter abzusuchen.«
    »Dein Bote erreicht die Abtei viel zu spät«, brummte Arne. »Wir wissen nicht, wohin diese Zwergenkrieger verschwunden sind. Vielleicht sind sie ganz in der Nähe der Fischerinsel an Land gegangen und haben sich längst in die Berge geflüchtet. Was auch immer sie sind, dumm sind sie nicht.«
    Albin schloss die Augen und versuchte, die Stimmen der beiden Streithähne zu verdrängen. Er konzentrierte sich auf

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