Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nebelkinder

Die Nebelkinder

Titel: Die Nebelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
Vom Netzwerk:
Geisel. Er bürgt mit seinem Leben dafür, dass du bis spätestens morgen um Mitternacht hierher zurückkehrst. Und dann wirst du uns zu dem Schatz führen, der im Kloster verborgen ist!«
    »Das mit dem Schatz stimmt nicht!«, rief Albin. »Wir haben das damals nur erzählt, damit ihr uns gehen lasst.«
    Waldo öffnete einen der Lederbeutel, die seine Männer abgelegt hatten. Die Strahlen der versinkenden Sonne, die durch das Geäst der zum Teil entlaubten Bäume fielen, ließen die Schachfiguren aus Rubin und Smaragd funkeln. Er löste einen kleineren Beutel von seinem Gürtel und öffnete auch ihn, enthüllte kleine Edelsteine in allen Formen und Farben.
    »Es gibt keinen Schatz, nein? Und was ist damit? Wo das herkommt, da gibts auch noch mehr!«
    »Ich sagte doch, das Schachspiel stammt von Abt Manegold«, sagte Albin. »Und die Edelsteine gab uns König Durin mit.«
    »Ach ja, ich sollte einen zweiten Beutel erhalten, wenn wir Gerswind wohlbehalten zur Abtei gebracht haben. Nun, wo ist er?«
    »Beim König«, ächzte Findig unter der Last des Einäugigen. »Sobald wir bei ihm sind, erhältst du deinen Lohn.«
    »Warum nicht jetzt?«
    Findig verdrehte die Augen, schien es kaum noch auszuhalten. »Ich habe den zweiten Beutel nicht mitgenommen, damit du einen Anreiz hast, uns vor Schaden zu bewahren.«
    Waldo spuckte verächtlich vor Findig aus. »Das sind wilde Geschichten, die du mir erzählst. Glaubst du, ich bin dumm wie ein Mensch, bloß weil ich nicht nur Elben, sondern auch Menschen als Vorfahren habe? Ich weiß, dass ihr den Schatz für euch haben wollt. Durin selbst hat vielleicht ein Auge auf ihn geworfen. Und wehe euch, die Trümmer der Klostermauer bedeuten, dass wir zu spät kommen.« Er wandte sich wieder Albin zu. »Vergiss nicht, morgen um Mitternacht läuft die Frist ab! Dann darf Ivo mit Findig machen, was er will.«
    Als der Riese das hörte, stieß er ein freudiges Grunzen aus.
    Albins Gedanken kehrten immer wieder zu Findig zurück, während er Gerswind durch buschbewachsenes Land zur Abtei führte. Diesen Weg, der sie nicht in Berührung mit den Höfen der Landpächter und den Hütten der Handwerker brachte, hatte er absichtlich gewählt. Er wollte großes Aufsehen vermeiden und möglichst unbehelligt zum Kloster gelangen. Dort, das ahnte er mehr als deu tl ich, würden ihn und Gerswind noch genügend Aufregungen erwarten. Es wäre vernünftig gewesen, alle Kräfte und Gedanken auf die bevorstehende Begegnung zu richten, aber seine Furcht um Findig ließ das nicht zu. Obwohl Albin den Braunelb und seine Absichten nicht ganz durchschaute, war Findig ihm nach so vielen gemeinsam bestandenen Abenteuern ans Herz gewachsen. Und mehr als einmal hatte Findig ihm das Leben gerettet. Als nur noch ein freies Feld zwischen ihnen und der Abtei lag, war die Sonne vollends hinter den Berggipfeln versunken. Dämmerschatten beherrschten das ganze Land und verwandelten die Klostermauern in eine große Ansammlung verschwimmender, undeutlicher Formen. Albin hätte sich dem Kloster am liebsten allein und ganz vorsichtig genähert, um herauszufinden, was hier vorgefallen war. Aber die Ungeduld des Mädchens ließ das nicht zu. Gerswind war immer schneller gegangen, fast schon gelaufen. Und jetzt, wo Albin sich ins Gras kauerte und spähend zur Abtei hinübersah, zerrte sie an seinem Arm. Er konnte die Sorge gut nachempfinden, die sie um ihren Vater hatte und die vielleicht noch größer war als sein Bangen um Fin- digs Schicksal.
    Also gab er nach und lief zusammen mit ihr auf das Kloster zu. Er hoffte, die Dämmerung würde sie vor neugierigen Blicken verbergen und ihnen ermöglichen, ohne großes Aufsehen auf das Gelände der Abtei zu gelangen. Er wollte versuchen, sich mit Graman in Verbindung zu setzen, um zu verhindern, dass Wenrichs Männer sich auf ihn stürzten wie ein ausgehungertes Wolfsrudel auf die lang ersehnte Beute.
    Doch genau das geschah. Plötzlich rannten aus einem Seitentor direkt neben dem zerstörten Teil der Mauern sechs, sieben, acht Soldaten des Vogts hervor. Fackelschein blendete Albin und Gerswind, die Klingen von Schwertern und Speeren richtete sich gegen sie, kreisten sie ein.
    »Das ist ja ein hübscher Fang, der Vogt wird erfreut sein.« Die Stimme gehörte dem Hauptmann Volko, der mit gezücktem Schwert in den Kreis der Soldaten trat.
    Obwohl Albin und Gerswind protestierten, wurden sie voneinander getrennt. Ein Soldat stieß den Findling zu Boden und band dessen Hände auf den

Weitere Kostenlose Bücher