Die Nebelkinder
ich!«, versprach der Findling.
Waldo trat in die Höhle und beugte sich neugierig über das Schachspiel. Er hob zwei der Schachfiguren, die in den Farben Rot und Grün gehalten waren, in die Höhe. Im Licht der Steinlampen schimmerten ein roter König und ein grüner Läufer.
»Edelsteine«, murmelte der Mischler. »Ein Rubin und ein Smaragd. Das wertvollste Spiel, das ich jemals gesehen habe.«
Erst jetzt achtete Albin auf die Figuren und rief: »Wie ist das möglich?«
»Was?«, fragte Findig.
»Ich kenne dieses Spiel, habe es schon mehrmals gesehen. Manegold hat es mitgebracht, als er in die Abtei kam. Es war sein ganzer Stolz.«
Findig wandte sich an Gerswind und fragte: »Woher stammt das Spiel?«
»Ich weiß es nicht. Ich dachte, es gehört diesen rothaarigen Nebelkindern.«
»Ein diebisches Pack, nicht?«, kicherte Waldo. Hastig bückte er sich, um die wertvollen Figuren, die verstreut auf dem Boden lagen, zusammenzuraffen. »Ich werde die Steinchen in Verwahrung nehmen.« Er winkte einen Mischler herbei, der die Figuren in einem ledernen Proviantbeutel verstaute.
Findig sah dem Treiben mit nachdenklichem Blick zu. Das Schachspiel schien ihn zu beschäftigen, aber das nahm Albin nur beiläufig wahr. Den größten Teil seiner Aufmerksamkeit widmete er Gerswind, die er noch immer in den Armen hielt. Er war überglücklich, endlich mit ihr vereint zu sein.
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12.
Die Tage hier oben in den Bergen waren anstrengend und die Nächte so kalt, dass nur die Erschöpfung die Wanderer einschlafen ließ. Sie entfachten kein wärmendes Lagerfeuer, um mögliche Verfolger nicht auf ihre Fährte zu locken. Zwar wussten sie nicht, ob sie von Rotelben oder gar von König Amons Schwarzelbenkriegern gejagt wurden, aber sie waren auch nicht darauf erpicht, es herauszufinden. Meist kletterten und marschierten sie schweigend, weil jeder überflüssige Atemzug ihre Erschöpfung noch steigerte. Obwohl Gerswinds Rettung gelungen war, hatte sich eine bedrückte Stimmung auf die ganze Gruppe gelegt. Oder war das nur Albins ganz persönlicher Eindruck, geboren aus seiner Enttäuschung?
Als er Gerswind in dem Höhlenversteck in die Arme schloss, hatte er sich ihr so nah gefühlt, war glücklich gewesen wie nie zuvor. Und als sie ihn bat, sie fortzubringen, hatte er geglaubt, sie erwidere seine Gefühle. Aber auf dem langen Marsch zurück zum Mondsee war nichts mehr davon zu spüren. Niemand sprach viel, doch Gerswind war am schweigsamsten von allen. Albin fragte sich, ob das an ihm lag, ob er etwas falsch gemacht hatte. Oder waren es die Auswirkungen der Verschleppung, die sich erstjetzt zeigten, als Gerswind der unmittelbaren Gefahr entronnen war?
Am letzten Abend, bevor sie die Abtei zu erreichen hofften, schlugen sie ihr Lager in den südwesdichen Ausläufern der Drachenwand auf. Ringsum erhoben sich dicht bewachsene Hügel, die ihren Lagerplatz wie ein Schutzwall umgaben. Eine weitere bitterkalte Nacht schien sie zu erwarten. Sobald die Sonne unterging, kühlte die Luft deutlich ab, und Gerswind begann, mit den Zähnen zu klappern. Albin ging zu Findig und Waldo und bat darum, ein Lagerfeuer zu entzünden.
»Wir sollen uns so kurz vor dem Ziel der Gefahr aussetzen, entdeckt zu werden?«, fragte Findig. »Hältst du das für klug, Albin?«
»Würden wir verfolgt, hätten wir es längst bemerkt. Dieses Tal ist ein sicherer Ort. Zudem könnten wir auf dem nächsten Hügel eine Wache aufstellen.«
Waldo bleckte belustigt die Zähne. »Frierst du so sehr, junger Braunelb?«
»Wir frieren wohl alle, aber am schlimmsten trifft es Gerswind. Sie ist die Anstrengung und das Übernachten im Freien nicht gewohnt.«
»Na und?«, fauchte der Mischler. »Wir sind nicht hier, um eine hochwohlgeborene Menschin zu verwöhnen. Morgen kann sie wieder in einem warmen Bett schlafen. Für heute soll sie sich zusammennehmen !«
»Sie könnte sich noch den Tod holen!«, sagte Albin in demselben barschen Tonfall, in dem Waldo gesprochen hatte. »Haben wir sie deshalb befreit? Graf Guntram wird es kaum erfreuen, wenn wir ihm seine Tochter halb erfroren zurückbringen.«
Waldo hob die Brauen an und begann, wie ein Huhn zu gackern. »Jetzt weiß ich, was dich antreibt. Du selbst sorgst dich am meisten um das Mädchen, wohl mehr als sein Vater. Na, von mir aus, macht ein Feuer an. Ich werde einen Wachtposten ausschicken.«
Albin und Findig suchten Feuerholz, das sie inmitten der Senke aufschichteten. Findig zog einen Feuerstein
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