Die Nebelkinder
Rücken. Albin dachte daran, dass es Findig kurz zuvor ähnlich ergangen war. Auf ihrem Unternehmen schien ein Fluch zu liegen. Die Soldaten brachten Albin und Gerswind ins Kloster, wo ihr unerwartetes Erscheinen schnell einen Menschenauflauf hervorrief. Albin vermochte nicht zu sagen, wem mehr ungläubige Blicke galten, ihm oder Gerswind. Mit keinem von ihnen hatte man hier in der Abtei gerechnet. Besorgt registrierte er die Feindseligkeit, die ihm aus vielen Blicken und auch aus manch bösem Zuruf entgegenschlug. »Verräter« war noch die mildeste Bezeichnung, mit der ihn viele von denen bedachten, die mit ihm zusammen noch vor kurzem auf den Feldern gearbeitet hatten. Im Kloster musste etwas vorgefallen sein, das die Menschen in eine ungnädige Stimmung gegenüber dem Findling versetzt hatte. Plötzlich bereute er, dass er so leichtfertig zu dem Ort zurückgekehrt war, von dem er nur unter Lebensgefahr hatte fliehen können.
Er war etwas erleichtert, als die Soldaten ihn und Gerswind von der zornigen Menge wegführten und in ein kleines Steinhaus brachten, in dem es stark nach Feuer und Teig roch: die Hostienbäckerei. Obwohl hier zurzeit nicht gebacken wurde, ging eine unnatürliche Hitze von dem großen Ofen aus. Die Backstube hatte nur einen Zugang und davor bauten sich die Soldaten auf, während Volko davoneilte.
Bei seiner Rückkehr wurde er von Vogt Wenrich, Abt Manegold und Dekan Ursinus begleitet. Wenrich hatte sich einen Bart wachsen lassen und Albin ahnte den Grund: Der Vogt wollte die Brandnarbe verbergen, die der Findling ihm zugefügt hatte.
»Endlich kommt ihr«, rief Gerswind ihnen entgegen. »Sorgt dafür, dass Albin von seinen Fesseln befreit wird! Warum wird er wie ein Übeltäter behandelt? Ohne ihn wäre ich noch immer eine Gefangene in den Bergen.«
»Wirklich?«, entfuhr es Manegold und deutlicher noch als seine Stimme kündete sein misstrauisch auf Albin ruhender Blick von seinen Zweifeln.
»Falls die edle Gerswind dies glaubt, muss sie einer Täuschung unterliegen«, gab Wenrich zu bedenken und wies verächtlich auf Albin. »Das Nebelkind hat ihr etwas vorgemacht, sie vielleicht gar mit einem Elbenzauber belegt, der ihre Sinne trügt.«
»Albin - ein Nebelkind?« Gerswind sah erst den Findling fragend an, dann den Vogt. »Was meinst du damit?«
»Das hat er dir nicht gesagt?« Wenrich schien belustigt. Er winkte zwei Soldaten vor und rief: »Zeigt es ihr!«
Grob rissen die Männer Albin abermals zu Boden, um Stiefel und Strümpfe von seinen Füßen zu zerren.
Ungläubig starrte Gerswind auf die nackten, vierzehigen Elbenfüße.
Albin fühlte sich gedemütigt. Und er schalt sich dafür, dass er Gerswind nicht längst die Wahrheit über sich erzählt hatte. Doch waren sie kaum dazu gekommen, sich zu unterhalten. Einmal während des langen Marsches hatte Gerswind ihn gefragt, was er bei den Nebelkindern mache. Er hatte ihr geantwortet, er habe sich den Elben angeschlossen, um sie zu befreien, und sie hatte sich damit begnügt. Gestern am Lagerfeuer hatte er ihr die Wahrheit sagen wollen. Da hatte sie sich, bevor sie ihren Schlafplatz aufsuchte, nach der Brandnarbe auf seiner Wange erkundigt. Doch dann hatte er befürchtet, dass Gerswind in ihm nur noch eins jener seltsamen Wesen sehen würde, die sie verschleppt hatten. Deshalb war er der Antwort ausgewichen und hatte gesagt, er habe sich die Narbe auf dem Weg in die Berge zugezogen, was in gewisser Weise auch stimmte.
»Dass Gerswind nichts von der wahren Natur des Rabenfußes wusste, beweist, dass er ein falsches Spiel mit ihr getrieben hat!«, triumphierte der Vogt.
Gerswind hatte ihre Überraschung überwunden und sagte mit lauter Stimme: »Albin will mir nichts Böses. Er und seine Gefährten haben mich gerettet!«
»Seine Gefährten?«, wiederholte Wenrich höchst interessiert. »Wer sind sie? Und vor allen Dingen, wo sind sie?«
Albin warf Gerswind einen warnenden Blick zu.
Sie begriff und sagte: »Ich weiß nicht, wo sie sind. Irgendwo in den Bergen haben wir uns von ihnen getrennt.«
»Waren es Nebelkinder?«, fragte der Vogt.
»Ja«, antwortete Gerswind. »Und jetzt bringt mich bitte zu meinem Vater! Er wird sich nicht minder als ihr für das interessieren, was mir widerfahren ist.«
Manegold und Ursinus zeigten betretene Gesichter, während Wenrich mit unbewegter Miene sagte: »Folge mir, Gerswind, ich werde dich zu deinem Vater bringen.«
»Albin soll mitkommen«, verlangte sie. »Und löst endlich seine
Weitere Kostenlose Bücher