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Die Netzhaut

Die Netzhaut

Titel: Die Netzhaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torkil Damhaug
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seine »freak flag«, um einen seiner Lieblingssongs zu zitieren.
    Sie setzten sich an einen Ecktisch, an dem sie ungestört reden konnten. Dan-Levi war wie immer brennend an Roars Junggesellendasein interessiert. Roar räumte schließlich ein, etwas »am Laufen« zu haben, und hoffte, dass die Neugier seines Freundes damit gestillt war. Doch das Gegenteil war der Fall. Dan-Levi sah aus wie jemand, der eine riesige Lachsforelle an der Angel hatte und sich nun bemühte, sie an Land zu ziehen.
    »Doch wohl keine Kollegin? Da sind die Statistiken ganz schlecht.«
    Natürlich gab es für diese Aussage keine wissenschaftliche Grundlage. Sie diente einzig und allein dazu, seinem Freund mehr harte Fakten aus der Nase zu ziehen.
    »Ja und nein«, versuchte sich Roar irgendwie aus der Affäre zu ziehen.
    Er wollte nicht mit dem vertrauten scherzhaften Ton brechen, der es ihnen stets ermöglicht hatte, ziemlich offen miteinander zu reden. Eine Offenheit, die ihnen beiden gutgetan hatte. Als seine Scheidung akut gewesen war, hatte sich Dan-Levi um ihn gekümmert, ihn immer wieder in die Stadt oder zum Angeln in die Østmarka eingeladen. Eigentlich trafen sie sich sowieso einmal im Jahr zum sogenannten »Jagdausflug«, auch wenn der letzte schon mehrere Jahre zurücklag. Was das Fliegenfischen betraf, war Dan-Levi zwar kein blutiger Anfänger, doch ein großer Jäger war er nicht gerade. Alles, was er im Herbst von Roars Scheidung erlegte, waren zwei Hasen, die sich bei näherer Betrachtung als Kaninchen erwiesen, die ein bedenkenloser Bauer hatte frei herumlaufen lassen. Roar wurde nicht müde, seinen Freund an diese Geschichte zu erinnern, und meist reichten zwei an Kaninchenohren erinnernde abgeknickte Finger, um diesem zu signalisieren, woran er dachte. Aber diese Geste schien Dan-Levis männlichen Stolz nicht im Geringsten zu verletzen. Im
Romerikes Blad
hatte er sogar eine kleine Glosse über diesen Vorfall veröffentlicht. Darin übertrieb er seine eigene Ungeschicklichkeit und behauptete, er habe nur knapp eine Kuh des besagten Bauern verfehlt, die freilich so groß gewesen sei, dass ihre Hörner an einen Elch erinnert hätten.
    »Was soll das heißen«, fragte Dan-Levi mit journalistischer Unerbittlichkeit. »Ja und nein. Ist sie nun Polizistin oder nicht?«
    Roar gab ihm ein paar Hinweise und erwähnte unglücklicherweise die Weihnachtsfeier, zu der auch einige Pathologen, wofür er freilich nichts könne, eingeladen gewesen seien. Er betonte, von einer Beziehung könne keine Rede sein. Diese Frau sei einfach zu alt für ihn, darüber hinaus zu klug und zu verheiratet.
    Dan-Levi schien zufrieden zu sein. Als er irgendwas von Mutterkomplex faselte, ging Roar vorsichtshalber noch zwei Bier holen.
    »Was ist mit Berger?«, wollte er wissen, als er zurückkam. »Haben deine Recherchen ausnahmsweise zum Erfolg geführt?«
    Dan-Levi nahm einen so tiefen Schluck, dass der Schaum in seinem getrimmten Kinnbart hängenblieb.
    »Ja und nein, wenn ich deine Ausdrucksweise übernehmen darf.«
    Er wartete so lange, bis sein Freund grinsend die Augen verdrehte.
    »Ich habe mit einem früheren Vorstandsmitglied von Filadelfia gesprochen, einem Freund meines Vaters. Er ist ein guter Bekannter der Familie Frelsøi und hat stets das Treiben von Berger oder Elias Frelsøi, wie er eigentlich heißt, mitverfolgt.«
    Er trank einen weiteren Schluck, nahm sich viel Zeit.
    »Und?«
    »Willst du hören, was er gesagt oder was er nicht gesagt hat?«
    »Schieß schon los.«
    »Bergers Vater war wie gesagt Pastor der Pfingstbewegung.«
    »Genau wie dein eigener Vater.«
    Dan-Levi schnitt eine Grimasse.
    »Diese beiden Väter sind grundverschieden. Der eine hat seine Kinder ganz im Geiste des Neuen Testaments erzogen, der andere orientierte sich am Alten Testament: Wen man liebt, den züchtigt man und so weiter. Der alte Frelsøi hätte seinem Sohn auf irgendeinem Felsen, ohne zu zögern, die Kehle durchgeschnitten, wenn er geglaubt hätte, dass Gott ein solches Opfer verlangte. Mehr wollte das Vorstandsmitglied nicht sagen, doch wurde deutlich, dass die Familie Bergersen Frelsøi auch in ihrem eigenen Umfeld für ziemliche Irritationen gesorgt hat, und wir sprechen hier von der Pfingstbewegung anno 1951.«
    »Missbrauch? Sexuelle Gewalt?«
    Dan-Levi dachte nach.
    »Mein Informant weigert sich, irgendjemand ans Messer zu liefern. Das gilt vor allem für tote Personen. Wenn du als polizeilicher Ermittler in Erscheinung trittst, wird er dir die Tür

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