Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Netzhaut

Die Netzhaut

Titel: Die Netzhaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torkil Damhaug
Vom Netzwerk:
leuchtete allen ein. Niemand zweifelte daran, dass Berger etwas mit diesem Verbrechen zu tun hatte.Die Zeitungen verstanden Helgarsons Aussage so, dass der Fall so gut wie aufgeklärt sei. Falls sich das als Irrtum erweisen sollte, würde kein Redakteur deswegen seinen Job verlieren. Helgarsons Aussage diente allen Zeitungen vielmehr als Vorwand, mit den fettesten Schlagzeilen aufzuwarten, die Berger allesamt als mutmaßlichen Mörder hinstellten. Viken störte das nicht. Das trug zumindest dazu bei, dass sie für eine Weile in Ruhe arbeiten konnten. Intern wehrte er sich indes heftig gegen die These, dass der Talkmaster der gesuchte Mörder sei. Seine Argumente waren im Grunde dieselben, die er bereits am Freitag vorgebracht hatte, bevor die neuesten Informationen bekannt geworden waren. Dennoch war es gut möglich, dass sich Viken unerschütterlicher gab, als er tatsächlich war, um zu verhindern, dass wichtige Ressourcen von seinem Fall abgezogen wurden. Ungeachtet dessen riskierte Helgarson keine Auseinandersetzung mit ihm, machte jedoch deutlich, dass schon bald eine Neubewertung des gesamten Falls vorgenommen werde.
     
    Roar beugte sich ein wenig zur Seite, um die Personen in der ersten Reihe besser sehen zu können. Einige erkannte er von hinten. Nahe am Mittelgang saß der Stiefvater der Toten. Nachdem Jennifer ihn im Auto während des Staus angerufen hatte, hatte er Kontakt zur Universität in Oslo aufgenommen. Von gestörten Telefonverbindungen am 11. Dezember hatte niemand etwas gehört.
    Neben dem Stiefvater saß eine Frau mit hängenden Schultern. Mailins Mutter, vermutete Roar. Neben ihr, auf der anderen Seite, erblickte er die langen, kastanienbraunen Haare von Liss und daneben Viljam Vogt- Nielsen, der regungslos dasaß und den Kopf gesenkt hielt. Er hatte vermutlich alles getan, um sie bei ihren Ermittlungen zu unterstützen, war andererseits aber nicht sonderlich engagiert gewesen. Roar schien Viljams Trauer tief und authentisch zu sein, außerdem besaß er ein fast lückenloses Alibi. Dennoch war deutlich, dass Viken ihn keineswegs von der Liste der Verdächtigen gestrichen hatte.
    Den Worten des Pfarrers war zu entnehmen, dass er Mailin seit vielen Jahren gekannt hatte. Er beschrieb sie als Inbegriff von Güte und Wärme. Sie sei stets für ihre Mitmenschen da gewesen, vor allem für diejenigen, die auf dunklen Pfaden gewandert seien. Einer dieser Wanderer hat sie bedroht, dachte Roar, vielleicht sogar mehrere. Sie hatten immer noch keinen detaillierten Eindruck von all ihren Patienten gewonnen, obwohl Mailins Mentor ihnen behilflich gewesen war, Kontakt zu den männlichen Patienten herzustellen, die an Mailins Studie teilgenommen hatten. Einer von ihnen war an einer Überdosis gestorben, ein anderer lag nach einem Verkehrsunfall im Krankenhaus. Die fünf anderen hatten sich bei der Polizei gemeldet, nachdem Mailins Betreuer sie dazu aufgefordert hatte, doch keiner schien mit dem Mord in Verbindung zu stehen. Bei der Krankenkasse waren nur wenige ihrer Patienten registriert, und Mailins Computer, auf dem sich alle Patientenakten befanden, war nie wieder aufgetaucht. Auch keine Ausdrucke oder dergleichen. Der Aktenschrank, den sie sich in der Welhavens gate mit ihren Kollegen geteilt hatte, war nach Genehmigung des Amtsarztes durchsucht worden. Er enthielt einige Entwürfe zu ihrer Habilitationsschrift, doch keine Patientenakten. Ihre beiden Praxiskollegen saßen ein paar Bankreihen vor Roar ganz außen. Er hatte sie bereits auf dem Weg in die Kirche gesehen, die sie Hand in Hand betreten hatten. Torunn Gabrielsen hatte zunächst gelogen, um ihrem Lebensgefährten ein Alibi für den Abend des 11. Dezember zu verschaffen. Doch mit einer umfassenden Anklage wegen Versicherungsbetrugs im Nacken hatte Pål Øvreby seine Aussage schließlich geändert. Die Prostituierte, mit der er angeblich mehrere Stunden verbracht hatte, ließ sich dennoch nicht aufspüren. Er konnte ihren Vornamen nennen, ein Hotelzimmer in der Slippergata und seltsamerweise auch das Alter des Mädchens, das er mit »mindestens siebzehn« angab.
    Der Sarg wurde hochgehoben und durch den Mittelgang getragen. Die vorderen Träger waren Viljam und Mailins Stiefvater. Drei junge Männer, vermutlich Verwandte oder nahe Freunde, umfassten die Griffe hinter ihnen. Vom biologischen Vater gab es weiterhin kein Lebenszeichen, obwohl man große Anstrengungen unternommen hatte, ihn aufzuspüren. Roar dachte daran, dass er Jennifer noch fragen

Weitere Kostenlose Bücher