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Die Netzhaut

Die Netzhaut

Titel: Die Netzhaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torkil Damhaug
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Notizbuch und schob den heißen Suppenteller weg.
    »Sie hatten sich nach einer Urlaubsreise im Herbst 1996 erkundigt. Es stimmt, dass ich damals mit meiner Familie auf Kreta war. Meistens sind wir ja nach Zypern geflogen und ein paarmal in die Türkei. Da gefiel es den Kindern am besten, vor allem das Hotel in Alanya war klasse.«
    Roar hatte kein Interesse an türkischen Badeorten.
    »Wo waren Sie auf Kreta?«
    »Der Ort hieß Makrygialos. War an sich schon okay, nur viel zu weit vom Flughafen entfernt. Sie können sich ja vorstellen, wie das ist: fünfzig Grad im Bus, kurvige Straßen, übermüdete quengelige Kinder und entnervte Weiber …«
    Er gab ein schnalzendes Geräusch von sich.
    »Und das war also im September 1996?«
    »Genau. Abflug am siebten, Rückflug am vierzehnten. Zumindest wenn ich den Unterlagen meiner damaligen Steuererklärung glaube.«
    Roar ließ sich nicht zu der Frage verleiten, was diese Urlaubsreise in seinen Steuerunterlagen zu suchen hatte.
    »Können Sie sich an ein besonderes Vorkommnis auf dieser Reise erinnern?« Plötzlich hatte er es eilig und fragte: »Etwas mit einer Katze?«
    »Ja, verdammt, so was vergisst man nicht! Da fährt man Tausende von Kilometern weit weg, um einen ruhigen Familienurlaub zu verbringen, und dann hat man es plötzlich mit total streitsüchtigen Nachbarn zu tun.«
    Roar versuchte vergeblich, die nachfolgende Beschimpfung der Bergenser im Allgemeinen zu unterbrechen, die ja dafür bekannt seien, sich überall wie die Axt im Walde zu benehmen.
    »Dass der Typ Anwalt war, machte die Sache natürlich nicht besser. Ich musste den aufgeblasenen Affen erst mal wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Der kam doch tatsächlich in unsere Wohnung gestürmt und wollte wissen, ob Jo diese Katze getötet und dann bei ihnen an die Wohnungstür gehängt hat. Da hab ich ihn natürlich gleich rausgeschmissen. Am nächsten Tag habe ich Jo nach der Sache gefragt, und er meinte, die Tochter des Schwachkopfs hätte das getan und wollte ihm das jetzt in die Schuhe schieben.«
    Erneut dieses Geräusch, als lutsche er einen Drops.
    »Aber jetzt müssen Sie mir endlich erzählen, was Sie eigentlich wollen. Sie haben mich ja wohl nicht wegen einer getöteten Katze auf Kreta angerufen. Sie arbeiten für die Polizei in Oslo, stimmt’s? Oder sind Sie doch bei der Tierschutzbehörde?«
    Roar dachte, er hätte sich verhört.
    »Sie haben eben von Jo gesprochen. Damit meinen Sie Ihren Sohn Viljam, nicht wahr?«
    »Ja. Wir haben ihn immer Jo genannt. Sein Taufname ist Johannes Viljam. Den hat er von mir, weil ich Arne Johannes heiße.«
    »Aber inzwischen nennt er sich Viljam.«
    Am anderen Ende war ein gurgelndes Geräusch zu hören. Roar begriff nicht gleich, dass Arne Vogt-Nielsen lachte.
    »Der Junge war schon immer ein komischer Vogel. Als Jugendlicher hat er mich plötzlich nur noch Arne genannt und behauptet, ich wäre gar nicht sein richtiger Vater. Manche Kinder kommen schon auf seltsame Ideen. Aber er hat es ja nicht ernst gemeint. Als er mit der Schule fertig war und ausgezogen ist, hat er darauf bestanden, Viljam genannt zu werden. Auf Jo hat er gar nicht mehr reagiert.«
    »Er ist also früh von zu Hause ausgezogen?«
    »Ja, im Herbst 2003. Danach hat er erst mal seine Zeit verplempert, wusste nichts mit sich anzufangen. Aber schließlich konnte er ja nicht für den Rest seines Lebens im Bett liegen. Also hab ich ihm ein bisschen in den Hintern getreten, hab mich darum gekümmert, dass er seinen Führerschein macht, und ihm ein Auto besorgt. Dann hab ich ihm gesagt, er soll sich einen passenden Ort zum Studieren suchen. Er war nicht auf den Kopf gefallen, hat ein super Abi gemacht, das muss man ihm lassen.«
    »Hat er sich auch in Bergen umgesehen?«
    »Kann schon sein. Wir fanden es eine gute Idee, dass er ganz woanders hingeht. Das war damals für alle das Beste. Schließlich hat er in Oslo Jura studiert. Aber jetzt sagen Sie mir endlich, was Sie von mir wollen. Sonst ist dieses Gespräch beendet.«
    *
    Viken nahm auf dem Beifahrersitz Platz.
    »Die Sondereinheit ist in fünf Minuten bereit. Wir fahren hinter ihnen her.«
    »Sind sie bewaffnet?«, fragte Roar.
    »Yes, Sir. Der Kerl hat drei, vielleicht vier Leute auf dem Gewissen.«
    Roar fuhr durch das Tor des Präsidiums und hielt am Straßenrand.
    »Du hast ihrem Lebensgefährten ja von Anfang an nicht geglaubt«, sagte er und stellte gleichmütig fest, dass Viken von Anfang an recht gehabt hatte.
    Der

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