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Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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zornigen Blick. »Helft mir lieber, statt sinnlos herumzureden!«
    Dabei drehte er den Tisch auf die Seite, so daß die Platte an der Tür lehnte. »Den Schrank, dort drüben!« befahl er. Martinus und ich beeilten uns, ihm ohne Widerspruch beizustehen. Gemeinsam schoben wir einen schweren Eichenschrank mit zerbrochenen Türen gegen den Tisch. Noch immer zweifelte ich: Was half es, die Tür zu versperren, wenn allein im Erdgeschoß ein halbes Dutzend Fenster nach außen wiesen?
    »Und nun?« fragte ich.
    Draußen in der Nacht erklang ein gedämpfter Schrei. Es mochte ein Tier gewesen sein oder auch ein verstelltes Kommando. Mit einem Mal glaubte ich Faustus aufs Wort: Asendorfs Männer hatten den Hügel umstellt. Wahrscheinlich rückten sie schon in geschlossener Formation den Hang herauf, leise, gebückt, die Waffen gezogen. Die Erkenntnis der Tragweite meines Bubenstücks durchmischte sich jetzt mit dem Begreifen, daß der einzige Weg heraus geradewegs auf den Scheiterhaufen führte. Wer Ketzer unterstützte, war selber einer. Das Gesetz der Heiligen Inquisition ließ in dieser Hinsicht keine Fragen offen.
    Plötzlich packte Faustus mit einer seiner knochigen Hände Martinus’ Oberarm. »Wo ist die Falltür?« fragte er.
    Falltür? Was meinte er?
    Martinus deutete auf die Feuerstelle des offenen Kamins, die groß genug war, daß vier Menschen nebeneinander darin hätten Platz finden können. »Dort vorn«, sagte er, löste sich von Faustus und eilte hinüber. Mit dem Fuß begann er, kalte Asche vom Boden der Feuerstelle zu scharren. Darunter kam eine eiserne Platte zu Vorschein. Als Martinus mit der Ferse darauf pochte, ertönte ein hohler, dumpfer Klang.
    »Woher wußtet Ihr, daß es hier eine Falltür gibt?« fragte ich Faustus verblüfft.
    Der Doktor eilte zu Martinus und zog mit ihm an einem rostigen Haltering im Boden. Erst als ich den beiden zur Hilfe kam, gelang es mit vereinten Kräften, die geheime Öffnung freizulegen.
    Martinus wandte sich noch einmal um und griff nach seinem Bündel. Es war lang und sperrig, als bewahre er darin Eisenstangen oder Schwerter auf. Er warf es in die dunkle Tiefe, und schon nach einem Herzschlag hörten wir den Aufprall. Martinus sprang todesmutig hinterher.
    Ich war der nächste, doch bevor ich mich an der Kante herablassen konnte, hielt Faustus mich für einen Moment an der Schulter zurück. »Merk dir gut: Bei geheimen Treffen wie diesem, wähle immer einen Ort, an dem es mehr als einen Ausgang gibt.«
    »Dann wußtet Ihr, daß Ihr Euch auf Martinus verlassen könnt«, stellte ich erstaunt fest.
    Faustus nickte. »Er wäre niemals so dumm gewesen, uns beide und sich selbst in eine Falle zu locken. Wenn er dieses Haus als Ort unserer Zusammenkunft wählte, mußte es einen geheimen Fluchtweg geben. Abgesehen davon: Viele Siechenhäuser im ganzen Land besitzen unterirdische Keller und Katakomben. Während der großen Pestepidemien war keine Zeit, die Leichen der Kranken, die hier zusammengepfercht wurden, von einem Ort zum anderen zu transportieren. Man warf sie einfach durch Falltüren hinab in die Tiefe, bahrte sie bestenfalls dort unten auf.«
    Ich nickte, beeindruckt, wie viel von diesem Mann zu lernen war. Vielleicht war der Wechsel meines Lehrherrn doch zu meinem Besten.
    Ich sprang wagemutig in die Tiefe und spürte bereits im nächsten Augenblick harten Boden unter den Füßen. Eilig trat ich zur Seite, um auch meinem neuen Meister den Zutritt zur Unterwelt der Pestleichen zu ermöglichen. Es dauerte einen Moment, dann sprang er hinter mir hinab. Ich fragte mich, was er oben noch getan haben mochte, das seine Flucht verzögert hatte; dann erkannte ich das Seil, dessen eines Ende er in Händen hielt. Die andere Seite mußte er an einen zweiten Ring an der Unterseite der Eisenplatte befestigt haben. Zu dritt zogen wir daran und schlossen so den Zugang hinter uns. Einen winzigen Moment bevor die Platte zurück in ihre Fassung krachte, hörte ich, wie oben im Haus die Fenster zersplitterten. Asendorfs Männer strömten herein. Unser Vorsprung war denkbar gering.
    Martinus zog aus seinem Bündel eine Fackel und entzündete sie. In ihrem Schein erkannten wir, daß wir uns am oberen Ende eines abschüssigen Tunnels befanden. Rechts und links von uns waren Gittertüren im Gestein eingelassen. Die gesamte Umgebung ähnelte verblüffend den unterirdischen Kerkergewölben, aus denen ich Faustus befreit hatte.
    Der Doktor band das Ende des Seils eilig um eines der Gitter, zog

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