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Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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es straff und vertäute es mit einer Reihe komplizierter Knoten. Asendorfs Männer würden nun auf gehörige Schwierigkeiten stoßen, wenn sie versuchten, die Falltür zu öffnen.
    »Was sind das für Verliese?« fragte ich, während wir den finsteren Gang hinabeilten.
    Martinus, der mit seiner Fackel voranlief, gab mir die Antwort: »Keine Verliese«, sagte er knapp. »Hier unten wurden jene Pestkranken eingesperrt, die der Schwarze Tod gräßlich entstellt hatte. Hätte man sie oben im Haus behalten, hätten alle Neuankömmlinge, bei denen zum Teil nur der Verdacht auf Krankheit bestand, unweigerlich die Flucht ergriffen. So landeten die schweren Fälle hier unten, damit es oben nicht zur Rebellion kam.«
    Das schien mir Sinn zu machen. Die Pest war noch lange nicht besiegt, immer wieder flackerte sie überall in Europa von neuem auf. Im Wittenberger Land lag die letzte verheerende Seuche bereits Jahrzehnte zurück. Aus jener Zeit stammte diese Anlage. Siechenhäuser gab es Hunderte im ganzen Reich; ihr einziger Zweck war es, die Kranken an einem Ort zusammenzupferchen, um so zu versuchen, die Gefahr der Ansteckung in den Städten geringzuhalten – mit mäßigem Erfolg.
    Der Gang führte in einem langgestreckten Bogen nach unten. Ich hoffte, daß unter den Wittenberger Landsknechten, die Asendorfs Truppe zweifellos verstärkten, keiner war, der den geheimen Ausgang kannte.
    Nach einer Weile blieben die Gittertüren hinter uns zurück. Zu beiden Seiten des Tunnels waren nun Nischen aus dem massiven Stein der Wände gehauen. In vielen moderten spröde Gebeine.
    »Können wir uns daran nicht mehr anstecken?« fragte ich ängstlich; Vorsicht ist bis heute eine meiner vordersten Tugenden geblieben.
    »Wir wollen es nicht hoffen«, gab Faustus zur Antwort. Ich vermochte nicht zu erkennen, ob er die Worte ernst meinte oder vielmehr nur meine Unwissenheit belächelte. Ich entschied mich vorsorglich für letztere Möglichkeit. Trotzdem spürte ich am ganzen Leib ein entsetzliches Jucken. Ich war dankbar für die Dunkelheit; ansonsten hätte ich kaum der Versuchung widerstehen können, meine Haut nach schwarzen Blasen abzusuchen.
    Wir eilten weiter den Gang hinab, während hinter uns das Pochen auf der Falltür heftiger wurde.
    »Werden sie uns folgen können?« fragte ich.
    Faustus schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Sie werden statt dessen in die Umgebung ausschwärmen. Auch sie können sich denken, daß dieser Gang nicht endlos ist. Irgendwo müssen wir wieder hinaus ins Freie. Wenn wir Pech haben, erwarten sie uns dort.«
    Meine Hoffnung auf einen glücklichen Ausgang unserer Flucht verrauchte ins Nichts. Asendorf und die seinen waren nicht zu unterschätzen; wir waren nicht die ersten Menschen, auf die der Inquisitor Jagd machte.
    Der Geheimgang endete an einer Mauer. Über unseren Köpfen befand sich eine weitere Falltür, die nach oben führte. Martinus stieß mit der Fackel danach, doch die einzige Folge war, daß sich ein Funkenregen auf unsere Häupter ergoß.
    Faustus hielt ihn zurück. »Bevor wir dort hinaufsteigen und vielleicht keine Zeit zum Gespräch bleibt, muß ich Euch um etwas bitten, Freund Luther.«
    »So bittet«, erwiderte Martinus ungeduldig.
    »Der Priester«, sagte Faustus. »Der Priester, der von den Ketzern in seiner Kirche verbrannt wurde, kanntet Ihr ihn?«
    Martinus hob die Schultern. »Flüchtig. Wir unterhielten uns das eine oder andere Mal. Aber ich besuche die Messe im Kloster, nicht die in der Schloßkirche. Weshalb wollt Ihr das wissen? Wenn Asendorf uns fängt, wird er Euch sein Angebot kaum ein zweites Mal machen.«
    »Ich brauche sein Angebot nicht«, entgegnete Faustus geheimnisvoll. »Gab es irgendwelche Besonderheiten im Lebenswandel des toten Priesters?«
    Martinus trat rastlos von einem Fuß auf den anderen; es war ihm nicht recht, noch länger hier unten aufgehalten zu werden. »Er kam vor gut zehn Jahren nach Wittenberg. Er war schon alt, und er machte auf mich den Eindruck eines gelehrten, weitgereisten Mannes. Es hieß, er habe eine Weile im Ausland gelebt, doch ich weiß nicht, was davon der Wahrheit entspricht. Es wird so vieles gefaselt, so vieles, das ohne jede Bedeutung ist. Dabei ist es doch die Kirche, um die es gehen sollte, denn allein sie –«
    »Ja, ja«, unterbrach Faustus ihn unhöflich. »Fällt Euch sonst noch etwas zur Person des Toten ein?«
    Martinus schüttelte gekränkt den Kopf. »Nein.«
    Mein neuer Meister seufzte, dann legte er seinem

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