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Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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einmal, so leicht war der Körper des Doktors. Vor ihm auf dem Tisch stand die einzige Kerze im Raum. Das Licht zuckte über Faustus’ Kalkgesicht und ließ es noch eingefallener erscheinen.
    Aus dem Gespräch, das sich nun zwischen den beiden entsponn, erfuhr ich, woher ihre Bekanntschaft rührte: Im Julius des Jahres 1505, recht genau vor einer Dekade also, hatte der Doktor meinen Vormund in der Nähe von Erfurt vor einem Blitzschlag gerettet. Während des Dialogs im Siechenhaus blieb mir der genaue Ablauf jenes Ereignisses verborgen, später aber erfuhr ich am eigenen Leib, wie Faustus es verstand, durch magische Kräfte den Weg eines Blitzes von seinem Opfer fortzulenken. Auch mein Leben rettete der Doktor auf diese Weise, wenngleich es mich keinesfalls dazu bewegte, sogleich in die Arme der Kirche zu fliehen und das Schicksal des dicken Martinus zu teilen.
    Faustus erzählte uns, wie sich die Schergen der Inquisition seiner bemächtigt hatten: In einem nahen Dorf hatte er vor zwei Tagen auf dem Marktplatz die Wurzel eines Galgenbaumes freigelegt, um zwischen ihren Strängen nach jungen Alraunen zu suchen. Er gestand ein, daß er dabei unvorsichtig vorgegangen sei, denn die empörten Dorfbewohner hatten ihn – wohl in Aussicht auf einen kirchlichen Ablaß – hinterrücks niedergeschlagen und der Inquisition überantwortet. Konrad von Asendorf, der sich durch Zufall oder Fügung ganz in der Nähe aufhielt, frohlockte angesichts dieses Glücks, beanspruchte die Gefangennahme für sich und verurteilte sein Opfer innerhalb weniger Stunden zum Tod in den Flammen.
    Martinus schüttelte sich vor Lachen, als Faustus von seinem Mißgeschick auf dem Dorfplatz erzählte, wechselte dann aber abrupt die Stimmung und fluchte lautstark über die Ablaßpolitik der Kirche. »Heutzutage kann sich jeder Dummkopf durch Geld oder Gefälligkeit von seinen Sünden freikaufen«, wetterte er und hängte einen tiefempfundenen Sermon über den Niedergang des Christentums hintan. Weder Faustus noch ich unterbrachen ihn, nickten vielmehr an den nötigen Stellen und verbargen unsere Ungeduld hinter Masken höflicher Aufmerksamkeit.
    Nachdem Martinus geendet hatte, ergriff Doktor Faustus eilends das Wort: »Mir scheint, wir sollten bald von diesem Ort verschwinden«, sagte er. »Asendorfs Männer werden die Umgegend absuchen. Mein Leben ist dem Inquisitor teuer, in seiner jetzigen Lage mehr denn je.«
    Daraufhin berichtete er uns, wie es ihm seit seiner Flucht vom Scheiterhaufen ergangen sei. Vor allem beim Gespräch mit Asendorf ging er freimütig in jedes Detail. Da erst begriff ich, von welchem Ausmaß das Verbrechen war, das ich mit Faustens Befreiung begangen hatte. Der Inquisitor war auf die Hilfe des Doktors angewiesen, da es sonst keine Spur zu den Mordbrennern zu geben schien. Wenn Faustus ihm nicht half, die schuldigen Ketzer aufzudecken, würde Asendorf vor dem Heiligen Stuhl ganz buchstäblich »zu Kreuze kriechen« müssen. Ich erwähnte dies treffliche Wortspiel, doch keiner der beiden Älteren lachte; vergrätzt hielt ich mich fortan mit solcherlei Späßen zurück. – Was die Flucht aus dem Wittenberger Land anging, waren die beiden Freunde einer Meinung. »Asendorf wird nicht davon ablassen, Euch zu jagen«, bestätigte Martinus. »Sicher wäre es gut, wenn Ihr für eine Weile ganz aus den Augen der hiesigen Obrigkeit verschwändet.«
    Faustus nickte. »In der Tat. Und wie ich Euch kenne, lieber Luther, wißt Ihr bereits eine Möglichkeit.«
    Bruder Martinus, dem diese Worte sichtlich schmeichelten, lächelte beschämt. »Nun«, begann er gedehnt, »sicher wäre es kein Zeichen von Klugheit, hätte ich Euch befreit, nur um Euch sogleich wieder schutzlos den Klauen der Kirche auszuliefern.«
    Ich kochte innerlich vor Wut über die Worte des Mistkerls. Ich war es, der Faustus befreit hatte, nicht er. Allein die Vorstellung, wie sich Martinus mit seinem Wanst durch den Schacht gequält hätte, besserte meine Laune augenblicklich; ich sah ihn vor mir, mit wedelnden Beinen, keuchend und schimpfend, wie er in dem Loch steckte gleich einem Weinpfropf. Ja, dieser Gedanke gefiel mir in der Tat.
    »Traft Ihr je mit Sachsens Kurfürst zusammen?« fragte Martinus an Faustus gewandt.
    »Mit Friedrich?« fragte dieser. »Nein, niemals.«
    Martinus schmunzelte zufrieden. »Der Alte ist mir wohlgesonnen. Wir unterhielten uns einst über das verruchte Wesen der Kirche…« Hier spare ich Martinus’ übliche Rede zu seinem Lieblingsthema

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