Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt
einigem Umherirren auf einen schmalen Pfad. Hinter uns waren noch immer die Rufe unserer Jäger zu hören. Immer häufiger hörte ich es von allen Seiten im Unterholz knistern. Mancher Laut mochte von Tieren herrühren, doch ich bezweifelte nicht, daß Asendorfs Männer längst den Wald durchkämmten.
Nach einer Weile erreichten wir einen kleinen Tümpel inmitten hoher Tannen. Hier erwarteten uns drei weitere Pferde. Martinus hatte in der Tat an alles gedacht. Ich bewunderte ihn dafür, daß er in der Kürze der Zeit solch aufwendige Vorbereitungen hatte treffen können.
So schnell es der enge Pfad durch die Wälder zuließ, galoppierten wir davon. Es gab keinen Anhaltspunkt dafür, welche Himmelsrichtung wir einschlugen, doch Martinus wies uns kundig den Weg. Mir schien eine kleine Ewigkeit vergangen, ehe wir endlich den Waldrand erreichten. Von dort aus folgten wir einem Weg durch offene Felder, der uns schließlich bis zu einem Kreuzweg unter einer hohen, weitgefächerten Linde führte.
Martinus zügelte sein Roß, wir anderen taten es ihm gleich.
»Von hier aus müßt ihr den Weg allein finden«, sagte er.
Ich begriff, daß die Stunde des Abschieds gekommen war. Und was ich nie für möglich gehalten hätte, geschah: Ich spürte Trauer darüber. Mochte ich den groben Mönch auch noch so oft verflucht haben, so hatte ich ihn doch über die Jahre hinweg liebgewonnen.
Faustus und er schüttelten sich erneut die Hände. »Denkt an die Kutten«, empfahl Martinus. Meine eigene steckte noch zusammengeknüllt hinter meinem Gürtel. Das Schwert hatte ich am Sattel des Pferdes befestigt. »Ihr seid jetzt Augustinermönche«, flachste mein scheidender Vormund.
»Wird man Euch in Wittenberg nichts Übles wollen?« fragte ich.
Martinus schüttelte den Kopf. »Keiner hat mich hier gesehen. Niemand wird mich verdächtigen. Und falls man mich fragt, was aus dir geworden ist, werde ich sagen, du seist bei Nacht und Nebel fortgegangen. Sicher werden sie irgendwann, was dich betrifft, die richtigen Schlüsse ziehen, aber mir droht keine Gefahr. Hab also keine Angst um mich, mein Junge.«
Wir umarmten uns in aller Eile, dann ritt er mit zum Gruß gereckten Arm davon, ohne ein weiteres Wort, ohne sich umzusehen.
Faustus schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln. Ich nickte ihm stumm zu, zog mir die Kutte über den Kopf und bemühte mich, an all die guten Dinge zu denken, die vor mir liegen mochten. Es gab viele liebe Bekannte, aber kaum einen engen Freund, den ich in Wittenberg zurückließ, und selbst der Krämerstochter, die mir manch heißen Blick geschenkt hatte, weinte ich nicht nach. Nein, die einsame Träne, die ich vergoß, galt Bruder Martinus.
Nachdem auch Faustus die Mönchskutte übergestreift hatte, ließ er sein Pferd wenden.
»Nach Süden«, rief er munter, trat seinem Tier in die Flanken und sprengte eilends voran.
Ich ritt an seiner Seite, ebenso schnell, ebenso aufgeregt, doch in Gedanken ganz woanders.
Kapitel 3
Wir ritten die Nacht hindurch bis in den späten Vormittag. Als die Sonne ihren höchsten Stand erreichte, überschritten wir die Grenze zum Mansfelder Land. Vor uns lag der Harz. Von einem Hügel aus sahen wir, wie er sich wuchernd nach Süden und Westen erstreckte: Eine wilde, bergige Landschaft, bedeckt von schwarzen Forsten, die sich bis ins Unendliche dehnten. Die Hänge waren hoch, mitunter steil und felsig, die Täler grundlos und dunkel. Eisige Bäche schossen geschwind in die Tiefe, und die kargen menschlichen Ansiedlungen zu beiden Seiten unseres Weges wurden seltener und verschwanden schließlich ganz. Die unheimlichen Wälder schienen sich vor uns zu öffnen und wieder zu schließen, nachdem wir sie einmal betreten hatten. Ein Gefühl angstvoller Beklemmung beschlich mich, während wir auf engen, unbelebten Pfaden vorwärtsritten.
Ich war überzeugt, daß uns hier von Asendorfs Seite aus keine Gefahr mehr drohte. Faustus aber erging sich in düsteren Warnungen, den Feind niemals zu unterschätzen.
»Ich bin sicher«, sagte er, »Asendorf wird uns weiterhin jagen. Er wird uns hetzen bis ans Ende seiner Tage, da besteht kein Zweifel.«
»Dann glaubt Ihr, er ist noch hinter uns?« fragte ich eingeschüchtert.
Faustus nickte unheilschwanger. »Ganz bestimmt sogar. Wir sehen ihn nicht, aber jeder Moment des Verschnaufens kann unser letzter sein. Ich kenne den Hexenjäger – er ist beharrlich in seinem Streben.«
So zogen wir weiter durch die Wälder, ohne eine menschliche Seele zu
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