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Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Freund die Hand auf die Schulter. »Nichts für ungut«, bat er und wandte sich dann an mich: »Steig auf die Schultern dieses wertvollen Mönches. Vielleicht gelingt es dir, die Falltür zu öffnen. Aber gib acht, daß keiner von Asendorfs Männer obendrauf steht.«
    Martinus entrang sich ein Lächeln und bückte sich, damit ich seine breiten Schultern besteigen konnte. Ich war damals achtzehn Jahre alt und beileibe kein Federgewicht. Ich war größer als Martinus (wenn auch nicht so lang wie Faustus), und es muß kein Leichtnis für ihn gewesen sein, mich in die Höhe zu stemmen. Er tat es trotzdem ohne Murren, auf daß ich schon Augenblicke später beide Hände gegen das kalte Eisen der Falltür pressen konnte.
    Mit einem Keuchen gelang es mir in der Tat, die Platte aus ihrer verkrusteten Verankerung zu lösen. Durch einen schmalen Spalt, kaum so breit wie mein kleiner Finger, drang mir frische Luft entgegen. Da erst wurde mir klar, wie erbärmlich es in dem unterirdischen Grabtunnel stank. Ich drückte fester, jetzt in groben, rhythmischen Stößen, bis die Platte sich vollends anheben und zur Seite schieben ließ. Mühevoll versuchte ich, die Dunkelheit mit Blicken zu durchdringen. Breite Farnwedel bedeckten von außen die Öffnung.
    »Zieh dich nach oben«, raunte Faustus hinauf und löschte zugleich die Fackel, damit ihr Schein uns nicht verriet.
    Ich tat, wie mir geheißen, stieß mit dem Kopf durch Farnblätter und zog schließlich auch den Rest meines Körpers ins Freie. Vorsichtig sah ich mich um, von der Schulter abwärts immer noch von den Pflanzen verborgen. Um mich waren Wald und dichtes Unterholz. Es war immer noch stockfinster. Durch die Äste konnte ich die funkelnden Sterne am Nachthimmel erkennen. Zwanzig Schritte weiter zu meiner Rechten schien der Wald zu enden; dahinter erhob sich in einiger Entfernung, eher zu erahnen als wirklich zu sehen, der Hügel mit dem Siechenhaus. Von dort erklangen die Rufe unserer Verfolger. Fackeln huschten über die Hänge, Irrlichter in der kühlen Nacht.
    »Ihr könnt heraufkommen«, flüsterte ich über die Schulter in den Einstieg hinab. Dann bahnte ich mir so geräuschlos wie möglich einen Weg aus dem Dickicht. Nach einer Weile wunderte ich mich, warum keiner der beiden anderen nachkam. Schließlich erreichte mich das leise Rufen meines Meisters. Ich eilte sogleich zurück und bemerkte, daß der Doktor zwar bereits inmitten der Farnsträucher saß, es ihm aber nicht gelang, den schweren Martinus allein durch die Öffnung zu ziehen.
    Unwillig sah er zu mir auf. »Du mußt noch viel lernen, mein Junge.«
    Ich verkniff mir ein Grinsen und hockte mich neben ihn. Martinus reichte mir von unten das schwere, sperrige Bündel entgegen, ich nahm es und legte es beiseite. Dann zogen wir den Mönch mit vereinten Kräften ins Freie.
    Martinus sah aus, als wolle er mich mit einer ganzen Fülle von Flüchen bedenken, zog es aber angesichts der Gefahr für uns alle vor, zu schweigen.
    Als wir schließlich außerhalb des Farndickichts standen, entrollte Martinus am Boden sein Bündel, und zum Vorschein kamen ein Schwert und zwei mannslange Holzstäbe. Die Klinge stak in einer einfachen Scheide. Ihr Griff war durch einen verschnörkelten Gitterkorb geschützt. Es war zweifellos eine wertvolle Waffe.
    Um so erstaunter war ich, als Martinus sie mir achtlos entgegenhielt. »Hier, das ist für dich«, sagte er. »Du kannst doch damit umgehen, nicht wahr?«
    Ich konnte mein Glück kaum fassen und entrang mir ein fades »Leidlich«. Eine solche Waffe, ganz für mich allein! Sollte ich Martinus all die Jahre über fälschlich des Geizes bezichtigt haben? Die vergangenen Stunden stellten das Bild, das ich mir von ihm gemacht hatte, vollends auf den Kopf.
    »Und diese beiden«, sagte der Mönch und nahm die Kampfstäbe zur Hand, »sind wohl uns beiden angemessen.« Dabei überreichte er einen an Faustus, der ihn prüfend in den Händen wog. Schließlich nickte er zufrieden.
    Außer den Waffen befanden sich in dem Bündel noch zwei weitere Fackeln und ein zugezurrter Beutel, kindskopfgroß, den Martinus Faustus übergab. »Das eine oder andere darin mag Euch von Nutzen sein. Es wird nicht die Dinge aufwiegen, die Asendorf Euch abnahm, aber es war alles, was ich in der Eile besorgen konnte.«
    Faustus band sich den Beutel an den Gürtel, dann schüttelte er Martinus warmherzig die Hand. »Ich danke Euch noch einmal«, flüsterte er.
    Wir machten uns auf den Weg und gelangten nach

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