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Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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an derselben Stelle. Wie zwei glühende Kohlen, die jemand in die Tiefe geworfen hatte.
    Dann, plötzlich, bewegten sie sich, verloschen von einem Herzschlag zum nächsten und blieben verschwunden.
    Faustus richtete sich auf. Seine ungesunden Züge wirkten sorgenvoll. Seine düsteren Augen hatten sich noch tiefer ins Gesicht gegraben, als zögen sie sich von selbst zurück, wenn er andere Sinne als die menschlichen gebrauchte.
    »Etwas geschieht«, raunte er vage.
    »Was meint Ihr?«
    »Jemand nähert sich der Burg.«
    »Asendorf?« fragte ich alarmiert. Meine Unruhe wurde zu Besorgnis, schließlich zu Angst.
    Faustus nickte, ohne mich anzusehen. »Er und DeAriel. Doch nicht nur sie.«
    »Wer noch?« fragte ich tonlos.
    Mein Meister blickte hinauf zum Mond und badete seine Züge im knochenfarbenen Nachtlicht. »Ich verstehe nicht, was Mephisto mir sagen will«, gestand er verwirrt und schwieg für eine ganze Weile.
    Ich wartete atemlos darauf, daß er fortfuhr.
    »Engel«, erklärte er schließlich. »Mephisto sagt, die Wälder seien voller Engel.«
     
    ***
     
    Wir ließen den Hauptmann wecken und trafen uns mit ihm in seiner Amtsstube. Berlepsch wirkte weder müde noch ungehalten, als er uns schließlich gegenübersaß. Er ahnte wohl, daß ein Mann wie Faustus Gründe für sein Vorgehen hatte.
    Mein Meister erklärte ihm, er sei sicher, daß unsere Gegner innerhalb weniger Stunden die Wartburg erreichen würden. Auf die Frage, wie er darauf komme, erwiderte Faustus nur, er wisse es eben. Berlepsch gab sich damit zufrieden.
    »Wann werden sie eintreffen?« fragte er. Nicht einen Augenblick lang verriet er Zweifel an Faustus’ Fähigkeit, in die Zukunft zu blicken. Ich selbst freilich wußte es besser – wobei fraglich blieb, was unglaublicher war: Hellseherei oder ein sprechender Hund.
    »Ich weiß es nicht genau«, erwiderte mein Meister wahrheitsgemäß. »Spätestens am Vormittag, wahrscheinlich noch eher.«
    Berlepsch wurde kreideweiß. Als Hauptmann der Wartburg war er allein Kurfürst Friedrich zum Gehorsam verpflichtet, und doch fürchtete auch er den Zorn der Heiligen Inquisition. Es waren schon Männer in höheren Ämtern als er selbst auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Die Grausamkeit der Hexenjäger war unberechenbar. Der Arm des Papstes reichte bis in die Thronsäle der Fürstenhäuser, und niemand, nicht einmal ein Monarch, wagte, sich offen gegen Männer wie Asendorf zu stellen.
    »Wenn Ihr es wünscht, werden wir die Burg verlassen«, sagte Faustus.
    Einen Augenblick lang sah es aus, als verspüre der Hauptmann ungeheure Erleichterung. Dann aber schüttelte er den Kopf. Seine Züge verhärteten sich. »Ihr seid Gäste des Fürsten. Er hat Euch in seinem Haus aufgenommen, und hier sollt Ihr bleiben. Wenn Ihr überhaupt irgendwo sicher seid, dann in diesen Mauern.«
    Faustus schenkte ihm ein dankbares Lächeln. »Ihr seid ein wahrer Ehrenmann. Erlaubt jedoch, daß wir zumindest unsere Gästezimmer räumen und uns an einen weniger offensichtlichen Ort innerhalb der Burg zurückziehen. Wenn Asendorf in Euren Hallen nicht fündig wird, wird er schnell weiterziehen.«
    »Ihr habt recht«, sagte Berlepsch nickend. »Ich kann ihm nicht den Zutritt verwehren. Die Gastfreundschaft gebietet, daß ich ihn einlasse, wenn er und die seinen um Aufnahme bitten.«
    »Es gibt noch etwas, das Ihr wissen solltet«, sagte Faustus. »Kardinal DeAriel reitet an Asendorfs Seite.«
    Berlepsch gab sich redliche Mühe, seinen Schrecken nicht zu zeigen. Trotzdem zögerte er eine Weile, ehe er antwortete. »Nichtsdestotrotz gilt mein Wort – und das des Fürsten. Ihr bleibt hier, Doktor Faustus, und wenn der Papst persönlich vor den Toren steht.«
    Faustus schmunzelte. »Ich fürchte, Leo hat alle Hände voll zu tun, das Geld der Kirche aus den Fenstern des Vatikans zu schaufeln«, erwiderte er scherzhaft. Die Verschwendungssucht des Papstes war allgemein bekannt. Innerhalb seiner zweijährigen Amtszeit hatte Seine Heiligkeit die Kasse der Stellvertreter Gottes bis auf den Grund geschröpft. Bruder Martinus hatte keine Gelegenheit ausgelassen, die Verfehlungen der Päpste lautstark zu postulieren, daher kannte ich ihre zahlreichen Schwächen nur zu gut. Papst Leo entstammte dem Geldadel der Medici, und er nutzte seinen Stand als Oberhaupt der Kirche allein dazu, seinen Verwandten und sich selbst die Taschen zu füllen.
    Berlepsch erhob sich von seinem Stuhl. »Wir werden ein Versteck für Euch und Eure Begleiter finden,

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