Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt
etwas hörte, so ließ er sich nicht blicken.
Der Schacht, durch den die Treppe nach oben führte, war äußerst eng und düster, trotz der Fackel. Ich ahnte, daß er in keinem Lageplan der Burg verzeichnet war. Die Stufen führten auf einen kaum schulterbreiten Gang, der nach etwa zehn Schritten und einer scharfen Biegung vor einer weiteren Tür endete. Eiserne Beschläge verrieten ihre Festigkeit und Stärke. Berlepsch zog einen riesigen Schlüssel aus seinem Wams und drehte ihn im Schloß. Sogleich ließ sich der Durchgang öffnen. Dahinter war nichts als Finsternis.
Der Hauptmann trat als erster hinein und beleuchtete mit der Fackel einen Raum. »Es ist wohl ein ziemliches Loch«, sagte er seufzend und bat uns, hereinzukommen.
Wir befanden uns in einer erstaunlich geräumigen Kammer. Drei ihrer vier Wände waren schräg; der Raum mußte sich im Winkel eines trapezförmigen Dachstuhls befinden, wahrscheinlich dem des Torhauses. Berlepsch bestätigte meine Vermutung.
»Diese Kammer ist seit Jahren nicht mehr genutzt worden«, fügte er hinzu. »Es gibt leider nicht einmal ein Fenster.« Er blickte sich suchend um. »Ah ja«, entfuhr es ihm schließlich, »dort vorn sind sie ja.« Er entfernte sich einige Schritte, bückte sich und hielt plötzlich eine hölzerne Kiste voller Kerzen in der Hand. »Die sollten eine Weile lang reichen«, sagte er, stellte die Kerzen ab und entzündete mehrere an seiner Fackel. Jeder von uns nahm eine zur Hand.
»Ich werde versuchen, Asendorf und DeAriel so schnell wie möglich loszuwerden – falls sie wirklich kommen«, sagte Berlepsch. »Bis dahin müßt ihr wohl mit dieser kargen Unterkunft vorlieb nehmen.«
Faustus nickte. »Ich bin sicher, Ihr wißt, was Ihr tut, Hauptmann.«
Berlepsch lächelte geschmeichelt. »Ich werde Euch später einige Decken bringen, außerdem natürlich Essen und Trinken. Es soll Euch hier oben an nichts mangeln.«
Mein Meister bedankte sich, und Berlepsch wandte sich zum Gehen. Bevor er verschwand, reichte er Faustus den Schlüssel. Der nahm ihn entgegen und verschloß hinter dem Hauptmann die Tür. Dann blickte er sich mit einem Seufzer um.
»Nun, im Kerker der Inquisition ist es sicher sehr viel ungemütlicher«, sagte er und bemühte sich offenbar, das beste aus unserer Lage zu machen.
Das Mädchen sagte wie üblich gar nichts (ich war mittlerweile überzeugt, daß sie von Geburt an stumm war – oder aber seit dem Unglück, das ihr widerfahren war). Sie hockte sich vor eine Wand und zog die Knie eng an den Körper. Ihr Gesicht schimmerte vage im Schatten der Kapuze.
Faustus schritt an allen vier Wänden entlang und betrachtete jede Unebenheit und Fuge. Während die drei Schrägen aus Holz gezimmert waren, hatte man die einzige gerade Wand aus Stein gemauert. In ihrer linken Ecke befand sich der Eingang, in der rechten auf Höhe des Bodens ein niedriges Gitter. Es war keinen Schritt breit, und seine obere Kante reichte mir kaum bis zum Knie. Die Stäbe standen so eng, daß man gerade eine Hand hindurchschieben konnte.
»Wohin führt das?« fragte ich.
»Ein Luftschacht«, erklärte Faustus. »Dieser Raum wurde gebaut, um seinen Bewohnern für lange Zeit Schutz zu bieten. Fenster durfte es nicht geben, damit er von außen unsichtbar bleibt. Deshalb wird die Luft durch einen Schacht hereingelassen, der an einer anderen Stelle des Gebäudes an die Außenwand führt.«
Ich bückte mich und rüttelte an den Gittern, doch sie waren fest im Stein verankert und gaben nicht im mindesten nach.
»Als Fluchttunnel untauglich«, bemerkte ich enttäuscht.
Faustus nickte. »Wir werden uns ganz auf Berlepsch verlassen müssen.«
»Ihr seht aus, als ob Euch diese Vorstellung nicht gefällt.«
»Ich weiß nicht«, sagte Faustus schulterzuckend. »Der Hauptmann verheimlicht uns etwas.«
Erstaunt sah ich ihn an. »Wie kommt Ihr darauf?«
»Es gibt noch einen weiteren Gast auf der Burg, von dem er uns nichts erzählt hat«, erwiderte mein Meister.
»Wirklich?« fragte ich. Ich hatte nichts davon bemerkt. »Weshalb sollte Berlepsch seine Anwesenheit vor uns geheimhalten?«
»Wenn ich das wüßte, wäre mir wohler.«
»Ihr hättet ihn fragen können.«
»Das werde ich – später. Wenn wir seinen Gast bis dahin nicht schon kennengelernt haben.«
»Ihr sprecht wieder einmal in Rätseln, Meister.«
Er lächelte. »Ich bin sicher, er wird uns schon bald einen Besuch abstatten.«
»Ihr glaubt, Berlepsch verriet ihm unser Versteck?«
»Ganz sicher
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