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Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Er ergriff den Sattelknauf des Pferdes, zog sich mit beachtlichem Geschick hinauf und galoppierte in westlicher Richtung vom Marktplatz.
    Wir anderen erwachten aus unserer Erstarrung. Ein Heulen ging durch die Reihen der Gaukler, als sie sahen, wie die Frau kraftlos nach vorn fiel. Die Klinge des Dolches steckte zwischen ihren Schulterblättern. Nur der Griff war noch zu sehen. Aus dem Mund der Gauklerin schoß Blut.
    Was mir vorhin nicht gelungen war, schaffte ich nun auf Anhieb: Ich griff nach den Zügeln eines der Pferde, schwang mich auf seinen Rücken und folgte DeAriel. Musil tat es mir gleich, ebenso ein anderer Gaukler. Zu dritt preschten wir über den Platz, während einige der übrigen sich um die Verletzte kümmerten. Es gab keinen Zweifel, daß ihre Wunde tödlich war.
    Das Hämmern der Hufe hallte hohl zwischen den Häusern wieder, als wir durch das Gassenlabyrinth der Stadt galoppierten. Niemand stellte sich uns in den Weg. Auf geraden Straßen konnten wir DeAriel in einiger Entfernung vor uns sehen, in den verwinkelten Gäßchen aber war er durch seinen Vorsprung im Vorteil. Statt sich jedoch in einem Torweg oder Hinterhof zu verstecken, wie es die Vernunft gebot, ritt er weiter bis zum Stadtrand und von dort hinaus in die Wälder.
    Schweigend rasten wir hinter ihm her, ungeachtet der Zweige, die unsere Gesichter peitschten. DeAriel hatte den Tod verdient, und ich war ebenso begierig, die Strafe zu vollstrecken, wie jeder meiner Gefährten. Wir sprachen kein Wort, während wir durch die Wälder preschten, immer auf der Spur des Kardinals, blind und taub für alles andere.
    Da, plötzlich, zügelte Musil sein Pferd. Wir anderen bemerkten es einen Augenblick später. In einigem Abstand voneinander brachten wir die Tiere zum Stehen.
    »Was ist los?« fragte der zweite Gaukler.
    Die Antwort war überflüssig.
    Um uns herum geriet das Dickicht in Bewegung.
    DeAriel trat als erster zwischen den Büschen hervor, doch er blieb nicht der einzige. In einem weiten Kreis brachen sechs Gestalten aus dem Unterholz, mit gezogenen Schwertern und den Gesichtern von Engeln.
    Mein Pferd scheute leicht, als ich es sich einmal um sich selbst drehen ließ. Die Sechs kamen bedrohlich auf uns zu.
    Musil straffte seinen Oberkörper. Er war bereit.
    »Gott im Himmel, hilf!« entfuhr es dem zweiten Gaukler, als er die Falle erkannte.
    Die Engel des Borgia hatten uns fast erreicht.
    Ich schüttelte langsam den Kopf. »Schau sie dir an«, sagte ich leise. »Glaubst du nicht auch, daß Gott auf ihrer Seite steht?«
     
    ***
     
    Mein Meister berichtete mir später, wie es ihm und den anderen erging, während sie der Spur des Inquisitors folgten.
    Asendorf floh nicht blindlings in die Wälder, wie Faustus zuerst angenommen hatte. Statt dessen schlug er den einzigen Weg ein, der ihn vor der Rache der Gaukler retten konnte: Er folgte der Straße in die Berge, hinauf zur Wartburg.
    Die Dämmerung breitete ihren finsteren Mantel über die bewaldeten Kuppen. Der Himmel ging von einem trüben Blau in ein ungemütliches Dunkelgrau über. Weiter südlich zog ein Gewitter auf. Spätestens in der Nacht würde sich seine Wut über der Burg und der Stadt an ihrem Fuß entladen. Der Weg, dem Asendorf und seine Jäger jetzt folgten, verwandelte sich bei starkem Regen in einen reißenden Sturzbach; seine Böschung wölbte sich steil, wenn auch niedrig nach oben. Die talwärts schießenden Wassermassen machten einen Aufstieg an solchen Tagen unmöglich. Faustus hoffte, daß ihre Jagd bis dahin ein Ende hatte.
    Sollte es Asendorf gelingen, die Wartburg zu erreichen, war er in Sicherheit. Berlepsch mochte ihn noch sehr verachten, die Aufnahme in seinen Mauern durfte er dem Hexenjäger nicht verwehren. Nicht einmal der Kurfürst hätte dem Hauptmann beistehen können, hätte sich dieser offen gegen die römische Kirche gestellt.
    Also galt es, den Inquisitor einzuholen, bevor er es Faustus hatte sich den Weg genau eingeprägt, und so vermochte er grob abzuschätzen, wieviel Zeit ihnen noch blieb. Nicht mehr viel, das war sicher. Zwar waren ihre Pferde offenbar ein wenig schneller als das Tier des Hexenjägers, doch sein Vorsprung betrug gut und gerne zweihundert Schritt. Vor allem Lara hatte in der Wahl ihres Tieres Glück gehabt; sie ritt mehrere Pferdelängen vor den anderen. Falls einer von ihnen Asendorf noch rechtzeitig einholen konnte, dann war sie es.
    Zudem besaß die Anführerin der Gaukler eine kleine Armbrust, die ihr jedoch bislang keinen

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