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Die neue Historia des Dr. Faustus 02 - Der Traumvater

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 02 - Der Traumvater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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entsetzte mich zutiefst, und auch Angelina wirkte beunruhigt.
    »Nein, das vermag nur der Traumvater selbst«, erwiderte das Mädchen beschwichtigend. »Doch Doktor Faustus und Delphine und all die anderen können ihre eigenen Träume regieren, und das ist weit mehr, als wir übrigen vermögen. Sie lernen aus dem, was sie bei Nacht erleben, sie vergessen nichts davon und sind noch Jahre später in der Lage, sich an jede Einzelheit zu erinnern – und sie erneut zu träumen, falls sie es wünschen. Meine Meisterin etwa schaut im Schlaf in die Zukunft, und nur so vermag sie das Schicksal vorauszusagen.«
    »Was aber hat das alles mit dieser… Chymischen Hochzeit zu tun?« fragte ich verwirrt.
    »Meine Herrin, und sicher auch die anderen, erhielt eine Botschaft vom Traumvater. Er befahl ihnen allen, sich in diesem Schloß zu treffen, eine Vereinigung ihrer unterschiedlichen Wesenszüge.«
    »Aber sie scheinen den Grund dafür nicht zu kennen.«
    »Sie haben Vermutungen, aber sie sind nicht sicher.«
    »Und trotzdem sind sie alle sofort herbeigeeilt«, stellte ich verwundert fest. »Der Traumvater muß noch immer große Macht über sie haben.«
    Gwen schob eine Strähne ihres hellbraunen Haars zurück hinters Ohr. »Ich glaube, es ist nicht einmal gewiß, daß er noch lebt. Er muß uralt gewesen sein, damals, als sie ihm während seiner Wanderungen begegneten. Sein Körper war krank und schwach. Delphine behauptet, er war schon damals vom Tode gezeichnet.«
    »Du sagtest aber doch, die Botschaft sei von ihm gewesen.«
    »Zumindest schien sie es zu sein. Doch wer weiß, vielleicht schrieb sie ein anderer in seinem Namen, mit gutem oder schlechtem Vorsatz.«
    Mir war klar, daß Gwen nur die Worte ihrer Herrin nachplapperte, und doch konnte ich nicht umhin, sie weiter zu befragen, als wüßte sie von sich aus für alles eine Erklärung.
    »Auf unserem Weg hierher sahen wir einen nackten Mann auf einer Gondel, die sich wie von Geisterhand bewegte. Er trug eine merkwürdige Zeichnung auf dem Rücken. Könnte er der Traumvater gewesen sein?«
    Einiges sprach natürlich dagegen. Der Mann auf der Gondel war jung gewesen, während der Traumvater laut Gwens Beschreibung ein Greis sein mußte. Und doch erinnerte ich mich nur zu gut an den Schrecken auf Faustus’ Gesicht, und allein dieser Ausdruck war es, der mich auf die Verbindung zwischen beiden brachte.
    »Von einer Zeichnung weiß ich nichts«, sagte Gwen. »Aber das muß nichts bedeuten. Delphine hat mir sicher nicht alles über ihn erzählt.«
    »Wieso sollte die Zusammenkunft ausgerechnet an diesem Ort stattfinden?«
    Gwen lächelte, stolz, daß sie eine Antwort darauf wußte. »Du kennst die Legende vom Schlangenkönig?«
    »Natürlich.«
    »Es heißt, der Traumvater sei in seiner Heimat Ägypten ein Hohepriester des Apophis-Kultes gewesen und sei so zu dem geworden, was er später war – oder immer noch ist. Apophis ist ein mächtiger Schlangendämon, der Feind des Sonnengottes und Sinnbild der Mächte der Finsternis. An jedem Morgen, wenn die Sonne aus der Unterwelt aufsteigt, und am Abend, wenn sie auf ihrer Barke wieder hinabfährt, wird sie von Apophis angegriffen. Und jedes Mal unterliegt der Schlangendämon ihrer Kraft, und der Himmel färbt sich rot von seinem Blut.«
    Das mochte allzu wahnwitzig klingen, doch die Vorstellung schlug mich nichtsdestotrotz in ihren Bann. »Demnach könnte es in der Tat eine Beziehung zwischen der Verehrung des Traumvaters für den Schlangendämon und diesem Schloß geben.«
    Gwen nickte. »Das ist es, was Delphine glaubt. Sie sagt, seine Macht sei hier am stärksten. Wenn es wirklich der Apophis-Kult war, der ihm seine Kraft der Traumbeherrschung verlieh, dann mußte er früher oder später während seiner Reisen auf dieses Schloß stoßen. Die Lichtung ist das Reich des Schlangenkönigs.«
    »Ein Dämon wie Apophis«, bemerkte ich nachdenklich, »und vielleicht sogar…«
    »… ein und derselbe«, führte Gwen den Satz zu Ende.
    Plötzlich kehrte ein Funken Vernunft zurück in meine Sinne. »Aber das alles sind Hirngespinste und Aberglauben.«
    »Mag sein«, entgegnete Gwen entschieden, »aber der Traumvater existiert. Und für ihn existiert der Schlangendämon, ganz gleich, wie man ihn in welchem Teil der Welt auch nennen mag. Apophis – oder eben der Glaube an ihn – verlieh dem Traumvater seine Macht. So ist es nur naheliegend, daß er dieses Schloß als Ort der Zusammenkunft wählte.«
    »Er oder derjenige, der sich als

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