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Die neue Historia des Dr. Faustus 02 - Der Traumvater

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 02 - Der Traumvater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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uns bis zu den Knien. Unschlüssig sprach ich mit Gwen über dieses und jenes und äußerte meinen Kummer darüber, daß Faustus nichts von sich hören ließ. Erstmals gestand Gwen auch ihre eigene Sorge um Delphine.
    Da schoß plötzlich ein dunkler Schatten durch die Nebelschleier, nur wenige Schritte von uns entfernt.
    »Die Katze«, entfuhr es mir, während ich dem Schemen wutentbrannt nachstarrte.
    »Ihr habt also auch schon ihre Bekanntschaft gemacht?« fragte Gwen spöttisch.
    In wenigen Sätzen erzählte ich Gwen, was am Abend auf dem Dach des Gästehauses geschehen war.
    »Das muß zu der Zeit gewesen sein, als ich im Wald nach Beeren suchte«, sagte sie.
    »Und, hast du welche gefunden?«
    »Nicht eine einzige. Hier wächst nichts außer diesen verfluchten Bäumen und ein paar dürren Sträuchern. Ich frage mich allmählich, was wir hier essen sollen.«
    »Vielleicht die Katze.«
    Gwen lachte, und Angelina trat mir spielerisch vors Bein.
    »Sie ist ein Ungeheuer«, sagte Gwen. »Gestern nachmittag hat sie mich angegriffen. Jetzt wagt sie es nicht mehr, wahrscheinlich weil wir zu dritt sind.«
    »Dann ist sie zudem nicht dumm. Ich würde ihr den Hals umdrehen.«
    »Ist euch aufgefallen, wie gepflegt sie wirkt?«
    Angelina und ich nickten zugleich.
    Gwen blickte hinüber zum Haupthaus. »Ich glaube fast, sie gehört zu einem der Gäste. Delphine sprach von einer Hexe, einer ehemaligen Klosterschwester, die sich nach ihrer Lehre beim Traumvater von Gott abgewandt hat.«
    »Schwester Walpurga«, fügte ich hinzu.
    »Ja, das ist der Name, den sie sich gab. Eine schwarze Katze würde zu ihr passen, so wie meine Herrin sie beschrieb.«
    Ich stimmte zu. »Aber ist sie wirklich eine Hexe?«
    »Ist dein Meister wirklich ein Magier?« Gwen blies abfällig durch verkniffene Lippen. »Wer ist schon wirklich das, was er zu sein scheint.«
    Mit diesen Worten stand sie auf und streckte sich. »Ich bin todmüde«, sagte sie. »Ich werde mich wieder hinlegen. Hier entgeht einem ja doch nichts.«
    »Ich will noch einmal zum Haupthaus«, erklärte ich schnell, damit sie nicht fortlief, ehe ich sie einladen konnte, sich anzuschließen.
    Angelina sah mich verblüfft an, nickte aber zustimmend, daß sie mitkommen wollte. Ich litt noch immer ein wenig unter den Nachwehen meiner Vision: Angelina mit Schwingen aus Messerklingen. Ich hatte Mühe, ihr in die Augen zu sehen.
    Gwen hob abwehrend die Hände. »Gott bewahre! Ich werde mich hüten, diesem Gemäuer auch nur einen Schritt näher zu kommen als nötig. Falls der Traumvater wirklich dort umgeht und es auf seine Schüler abgesehen hat, wird er vor dem Schüler eines Schülers kaum haltmachen. Nein, geht nur allein, wenn ihr wollt und so wenig an eurem Leben hängt.«
    Sie drehte sich um und teilte mit ihren Schritten den Nebel. Kurz darauf war sie im Gästehaus verschwunden.
    »Was hältst du von ihr?« fragte ich Angelina leise, ohne den Blick von der Haustür zu nehmen.
    Sie zuckte mit den Achseln und seufzte tonlos.
    Nachdenklich sah ich hinauf zum Fenster, an dem für einen Augenblick Gwens braune Haarflut vorüberhuschte. Sie packte ihre Sachen und zog sich wieder auf den Dachboden zurück. Wahrscheinlich fühlte sie sich dort oben sicherer – vor dem Traumvater oder wem immer ihre Furcht galt. Vielleicht hatte sie recht; vielleicht schätzten wir die Lage nicht ernst genug ein. Ein weiterer Besuch des Haupthauses mochte Leichtsinn sein, doch meine Neugier ließ mir keine Ruhe. Ich war dankbar, daß es Angelina genauso erging.
    »Sie scheint eine Menge über den Traumvater und seine Schüler zu wissen«, sprach ich meine Gedanken laut aus. »Weshalb erzählt ihre Herrin ihr sovieles, während Faustus alles für sich behält? Ich hoffe, er meint es nur gut mit uns.«
    Angelina lehnte sich vor, durchstieß mit dem ausgestreckten Zeigefinger die Nebeldecke und zeichnete etwas ins Erdreich. Ich mußte vor ihr in die Hocke gehen und mein Gesicht beinahe bis zum Boden beugen, ehe ich erkannte was es war: ein kreisförmiger Bogen, dessen Enden mit Pfeilspitzen aufeinander wiesen.
    »Was bedeutet das?« fragte ich verwundert. Doch dann begriff ich. »Umgekehrt, meinst du? Das, was ich gerade gesagt habe, nur andersherum?«
    Angelina nickte, offenbar erfreut, daß ich das Symbol verstanden hatte.
    »Du glaubst, Faustus will uns Böses?«
    Sie schüttelte entschieden den Kopf.
    Ich überlegte weiter. »Delphine, nicht wahr? Sie hat ihrer Schülerin all die Einzelheiten erzählt,

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