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Die neue Historia des Dr. Faustus 02 - Der Traumvater

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 02 - Der Traumvater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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überhaupt?
    Dergleichen beschäftigt und von Zweifel und Zuversicht zerrissen, schlief ich ein.
    Als ich wieder erwachte, war es immer noch dunkel. Mondlicht fiel als breite Säule durchs Fenster. Es herrschte dichter Nebel, sogar im Zimmer. Einiges daran war merkwürdig: Nebel kriecht nicht durchs offene Fenster. Und er riecht nicht nach Feuer.
    »Angelina!« schrie ich laut und zog mir dabei die Hose über.
    Meine Gefährtin fuhr aus dem Schlaf und erfaßte in Gedankenschnelle, was um sie geschah.
    Das Gästehaus brannte.
    Eiliger noch als ich schlüpfte sie in Hose und Hemd. Das Feuer selbst war noch nicht zu sehen, doch der dichte Rauch, der die Kammer erfüllte, ließ darauf schließen, daß es nicht mehr allzu fern war.
    Wir waren kaum auf den Beinen und hatten notdürftig unsere Sachen aus dem Fenster geworfen, da drang auch schon ein lautes Knistern und Bersten an unsere Ohren. Das Feuer mußte auf dem Speicher ausgebrochen sein, ein Brand, der rasch mit glühender Wut zum Flammenmeer wurde. Im selben Augenblick fiel glutrotes Licht durch Tür und Fenster. Der rote Hahn begann seinen Tanz auf dem Dach.
    Hustend tasteten wir uns durch den Rauch zur Treppe, um uns flimmerndes Gelb und Rot und nun auch ein erster Schwall von Hitze. Wir stolperten die Stufen hinunter und hatten den Fuß der Treppe erreicht, als wir sahen, daß das Feuer auch hier unten wütete. Die Wände der kleinen Eingangshalle, Teile des Bodens und einige der angrenzenden Türen standen in Flammen. Die Hitze nahm mir den Atem. Überall war Rauch. Ich ergriff Angelinas Hand, war froh, sie zu spüren, denn sehen konnte ich sie nicht inmitten der Schwaden. Mit angehaltenem Atem stürmten wir in eine der Kammern, die bislang vom Feuer verschont worden waren, und kletterten geschwind durch das zerborstene Fenster. Erleichtert spürte ich feuchtes Gras unter meinen Händen und Füßen, packte mein Bündel und taumelte beinah blind davon, nur fort vom Haus, fort von den Flammen.
    Wir rannten, bis wir einen gebührenden Abstand zwischen uns und das brennende Gebäude gebracht hatten. Neben einer kopflosen Hermes-Statue sanken wir zu Boden und sahen uns zum ersten Mal nach dem Haus um.
    Die Flammen, die den Dachstuhl zerfraßen, verschmolzen zu einer gewaltigen Lohe, die weit über die Lichtung hinaus zu sehen sein mußte. Aus den Fenstern leckten vielgliedrige Feuerarme und griffen mit glühenden Fingern nach allem, was sie erreichen konnten: nach Büschen, Gras und vor allem nach Efeu, das an der Fassade emporrankte. An ihm kletterten die Flammen in Windeseile rund ums ganze Haus, bis es aussah, als wanden sich brennende Riesenschlangen um das Gebäude. Der verwilderte Schloßgarten und die uns zugewandte Seite des Herrenhauses flimmerten in feurigem Glanz. Ohne das brennende Gästehaus hätten es die Strahlen eines malerischen Sonnenuntergangs sein mögen, der die Ruinen in huldvolles Goldlicht tauchte.
    Ich sah hinüber zum Haupthaus und glaubte in einigen der Fenster Gesichter zu erspähen, doch mochten es ebenso Spiegelungen des Feuers sein. Ich wunderte mich, wo Faustus blieb. Fraglos mußte er den Brand bemerkt haben. Sorgte er sich nicht um Angelina und mich? Bislang war er nirgends zu sehen.
    Es gab keinen Zweifel daran, daß das Feuer von Menschenhand gelegt worden war. Wie sonst hätte es an zwei Orten gleichzeitig ausbrechen können, auf dem Dachboden und im Erdgeschoß? Wer aber wollte uns bei lebendigem Leibe verbrennen? Derselbe Unbekannte, der auch Gwen verschwinden ließ – vorausgesetzt, sie war nicht freiwillig gegangen?
    Die einzigen Menschen, die sich in der Gegend aufhielten, waren jene im Haupthaus. Einer von ihnen hätte der Brandstifter sein können – oder auch der Traumvater selbst. Gab es gar noch weitere Personen in den Ruinen, von denen wir nichts wußten?
    Mir war klar, daß ich so keine Lösung des Rätsels finden würde. Wichtiger war vielmehr, für die Zukunft zu planen. Wer immer uns ermorden wollte, hatte sicherlich unser Entkommen beobachtet. Gut möglich, daß er jetzt bereits neue Pläne schmiedete. Vielleicht näherte er sich schon von hinten!
    Ich fuhr herum, doch da war niemand. Angelina sah mich an und schien meine Sorge zu begreifen, denn auch sie hielt gleich darauf Umschau nach dem Mörder. Ich schrak hoch, als ich gleich neben mir einen zusammengerollten Schlangenkörper entdeckte, doch es war nur eine Blindschleiche, die überdies noch schlief. Die Ereignisse hatten mich sehr ängstlich gemacht. Kein

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