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Die neue Historia des Dr. Faustus 02 - Der Traumvater

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 02 - Der Traumvater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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»Träumen Affen eigentlich wie wir Menschen?«
    Die Fette wollte sich erneut erzürnen, doch mein Meister schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab. Er schien keine Antwort auf seine Frage zu erwarten; vielleicht wollte er nur, daß sie darüber nachdachte. Falls der Traumvater wirklich Macht über andere gewinnen konnte, dann nur durch ihre Träume.
    Mein Meister sah uns der Reihe nach an. »Wir sollten herausfinden, was mit den beiden geschehen ist. Wenn Adelfons noch lebt, liegt in der Tat der Verdacht nahe, daß er mehr weiß, als wir übrigen. Wenn er aber tot ist, nun, dann wissen wir wenigstens, daß er nicht der Mörder war.«
    Nicholas hob gleichgültig die Schultern, während Bosch bedächtig nickte. Walpurga verzichtete zumindest auf Widerspruch, was darauf schließen ließ, daß auch sie einverstanden war.
    So wurde beschlossen, daß Nicholas und Walpurga gemeinsam im Freien suchen sollten, während Faustus und Angelina Erdgeschoß und ersten Stock, Bosch und ich den zweiten Stock und die verwinkelten Dachböden des Haupthauses erforschen sollten. Ich ahnte, weshalb Faustus ausgerechnet den ersten Stock für sich beanspruchte: Er wollte ungestört einen Blick in die Zimmer der anderen werfen. Möglich, daß es dort weitere Spuren gab.
    Ariane, die ohnehin kaum laufen konnte, sollte mit den Zwillingen zurückbleiben und abwarten, was unsere Suche ergeben würde. Murrend, aber insgeheim sicher erleichtert, stimmte sie zu.
    Während Bosch und ich die Treppen hinaufstiegen, stellten wir uns einander vor. Er erwies sich als wortkarg, aber höflich und schien mir während der ganzen Zeit mit seinen Gedanken anderswo zu weilen. Ich erinnerte mich nur zu gut an seinen merkwürdigen Auftritt unten im Saal, als Angelina und ich uns hinter den Rüstungen versteckt hatten. Ich brannte darauf zu erfahren, weshalb er vor den anderen aus der Gruft zurückgekehrt war. War es eine Rückkehr an den Ort seiner Untat? War etwa er der Mörder?
    Nein, das vermochte ich mir kaum vorzustellen. Bosch war alt und nicht mehr rüstig genug, um es mit jüngeren Männern und Frauen aufzunehmen. Ich fragte mich, warum er überhaupt dem Ruf des Traumvaters gefolgt war. Schenkte man Faustus Glauben, so war Bosch auf den Schatz des Schlangenkönigs nicht angewiesen. An Magie aber schien ihm ebenfalls wenig zu liegen, denn er vertraute mir an, daß er auch während seines Aufenthalts im Schloß an einem Gemälde arbeitete und für alles andere schwerlich Geduld aufbringen könne. So käme ihm das ganze Gerede über Mord und Totschlag und natürlich der Tod der armen Delphine höchst ungelegen, und er bereue bereits, daß er seine Zeit nicht besser genutzt hatte, als in diesen abgelegenen Landstrich zu reisen. Daraufhin vermutete ich stillschweigend, daß er sich wohl tatsächlich Hoffnungen auf die Nachfolge des Traumvaters gemacht hatte. Gewißheit erhielt ich freilich nicht, denn ich wagte nicht, ihn offen darauf anzusprechen, und von sich aus gab er keine Erklärung.
    Der zweite Stock, in dem ja auch unsere eigenen Zimmer lagen, war völlig verlassen. Die übrigen Schlafräume waren seit Jahren unbenutzt, ihr Mobiliar zerfallen. Eine Spur, die zu Braumeister oder Sisyphos hätte führen können, gab es nicht. Blieb uns nur, die letzten Stufen zum Dachboden zu erklimmen. Der Gedanke, die riesigen Speicher unter den scharfen Giebeldächern zu erkunden, bereitete mir Unbehagen. Sollte jemand den Versuch machen, uns anzugreifen, würde mir Bosch kaum eine Hilfe sein. Er war zu gebrechlich, um einen ernstgemeinten Anschlag abzuwehren. Die Herausforderung, es mit dem Mörder aufzunehmen, würde deshalb mir allein zufallen. Zu allem Unglück war ich unbewaffnet bis auf meinen schmalen Dolch, den ich im Stiefel trug.
    Die Treppe endete vor einer hohen Tür aus dunklem Eichenholz. Sie war nicht verriegelt und schwang geräuschlos nach innen. Dahinter war es drückend warm und finster. Der Geruch nach Staub und altem, modrigem Holz schlug uns entgegen. Das Licht unserer Fackeln drang nur einige Schritte weit, dahinter schien sich die Dunkelheit wie eine Mauer zu erheben.
    Bosch und ich standen gleichermaßen zögernd auf der Schwelle. Dem alten Maler schien die Vorstellung, den riesigen Dachboden nach den Verschwundenen oder ihren Leichen zu durchkämmen, ebenso verdrießlich wie mir selbst. Der Mörder mochte überall in den Schatten lauern, hinter jedem Balken, in jeder Ecke. Von hier aus war nicht zu sehen, wie der Speicher des Schlosses

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