Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die neue Historia des Dr. Faustus 02 - Der Traumvater

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 02 - Der Traumvater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
der Mörder?«
    »Das eben sah mir in der Tat nach einem Mord aus«, bemerkte Faustus trocken.
    »Aber die anderen«, stammelte Nicholas. »Die anderen… das war ich nicht.«
    »Wir werden sehen«, entgegnete Faustus. »Komm, Wagner, wir bringen ihn in ein Verlies im Keller. Es ist feucht dort unten, aber eine Weile wird er es aushalten.«
    »Ihr sperrt mich in den Kerker?« schrie Nicholas und begann erneut, sich heftig zu wehren. »Niemals. Nicht dort hinunter. Nicht in den Keller, nicht zu den Mädchen. Ich hätte sie niemals töten können, versteht ihr? Niemals hätte ich ihnen ein Haar gekrümmt!«
    Faustus gab keine Antwort, und so schleppten wir den zappelnden und fluchenden Nicholas die Treppe hinunter. Angelina ging mit einer Fackel voran, Bosch folgte in größerem Abstand. Er beließ es bei der Rolle des staunenden Beobachters.
    Nicht weit von der Treppe führte ein niedriger Torbogen in einen schmalen Gang. Rechts und links von ihm zweigten Gittertüren ab. Dahinter befanden sich winzige, fensterlose Zellen. Ihre Wände glänzten vor Nässe, Wassertropfen glitzerten wie Perlen auf schwarzem Moos.
    Wir stießen Nicholas in den ersten dieser Kerker und verschlossen die Tür mit einer langen Kette, deren Enden wir an einem Ring in der Wand befestigten. Nun mochte er rütteln wie er wollte, das Gitter würde nicht nachgeben. Ohnehin standen die Stangen so eng, daß ein erwachsener Mann den Arm nicht zwischen ihnen hindurchschieben konnte; nicht einmal Faustus, dessen Glieder aus kaum mehr als Haut und Knochen bestanden, hätte hindurchgreifen können.
    Nicholas schrie wie am Spieß, als wir ihn in der Dunkelheit zurückließen und nach oben in den Bankettsaal gingen.
    »Ist es nicht allzu grausam, ihn in diesem Loch einzusperren?« fragte ich Faustus, während wir die Treppe hinaufstiegen.
    Mein Meister senkte seine Stimme. »Nur eine Nacht lang. Ich will wissen, was er danach zu sagen hat.«
    »Ihr glaubt, er wird die Morde gestehen?« fragte ich verblüfft, denn ich hatte Nicholas doch als Täter ausgeschlossen.
    Faustus schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, daß er es war, aber nur er selbst kann uns die Wahrheit sagen.«
    »Und das wird er tun?«
    »Wer weiß? Zudem: Wo sonst hätten wir ihn einschließen können? Die Zimmer sind alle mit den Geheimgängen verbunden. Selbst wenn wir eines gefunden hätten, das uns geeignet erschiene, so hätte Nicholas doch in der Nacht Zeit genug gehabt, um einen verborgenen Zugang aufzuspüren. Nein, Wagner, der einzig sichere Ort sind diese Kerker.«
    »Für uns, nicht für ihn«, gab ich zu bedenken.
    »Wie meinst du das?«
    »Falls Nicholas unschuldig an den anderen Morden ist, könnte der wahre Mörder ihm heute nacht einen Besuch abstatten.«
    »Das will ich hoffen, denn es ist Teil meines Plans.«
    Ich starrte ihn voller Verwunderung an, und so fuhr er fort:
    »Wir werden den Mordanschlag vereiteln und dem Schuldigen auf die Schliche kommen.«
    »Und wie?«
    »Du wirst Wache halten.«
    Ich blieb erschrocken stehen. »Unten im Verlies?«
    »Wo sonst?« fragte Faustus und unterdrückte ein Schmunzeln.
    »Aber, Herr…«, zeterte ich mit unterdrückter Stimme, »ich ganz allein dort unten, ich meine, die Dunkelheit… und die Kälte. Ich werde mir ein Fieber holen oder Schlimmeres. Das kann nicht Euer Ernst sein.«
    »O doch, lieber Wagner, nicht, was das Fieber angeht, aber Wache halten wirst du.«
    »Warum gerade ich?«
    »Weil ich mir bei dir vollkommen sicher bin, daß du unschuldig bist.«
    Ich war drauf und dran, ihm von meinem Traum zu berichten, ließ es dann aber bleiben.
    »Was ist mit Angelina?« flüsterte ich hoffnungsvoll.
    Bosch und der Borgia-Engel waren bereits durch die Tür zum Bankettsaal getreten und konnten uns nicht hören. Faustus hielt mich auf dem Gang zurück, wir blieben stehen.
    »Ich weiß, sie war bei uns, als die Zwillinge ermordet wurden«, sagte er, »und auch sie kann nichts mit den Morden zu tun haben. Aber für sie habe ich eine andere Aufgabe. Sie wird vom Geheimgang hinter dem Spiegel aus auf Bosch achtgeben.«
    »Sie soll ihn beschützen?«
    Er nickte. »Beschützen, wenn es nötig ist. Vor allem aber soll sie ihn beobachten.«
    »Ist er nicht zu alt, um der Mörder zu sein?«
    »Das ist der Traumvater auch.«
    Ich sah ihn eindringlich an. »Der Mann in der Gondel schien mir aber eher jung und kräftig.«
    Faustus lächelte, weil er meinen Versuch, ihn aus der Reserve zu locken, natürlich sofort durchschaute. »Du hast

Weitere Kostenlose Bücher