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Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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in den Stoff eingezogen war, blieb übrig.
    »Ihr seid ein Träumer«, sagte er zu dem Jungen und schleuderte ihm das Gras vor die Füße. »Glaubt Ihr wirklich, mich derart hereinlegen zu können? In meinem ganzen Leben habe ich niemanden getroffen, der auch nur jemanden kannte, der die Blutmagie des Orients beherrscht. Alles Gerüchte, Alexander. Genau wie das meiste von dem, was man mir andichtet.«
    » Hund! « , brüllte der Borgia und verlor endgültig die Gewalt über seinen Zorn. »Ich werde Euch …«
    Ein lautes Rascheln unterbrach ihn, gefolgt von einem stumpfen Aufschlag. Beide Männer wirbelten herum.
    Keine drei Schritte neben ihnen lag mit verrenkten Gliedern einer der Bogenschützen vom Dach. Der Aufprall hatte seinen Schädel zerschmettert.
    Bevor der Borgia etwas sagen konnte, ertönten in rascher Folge hintereinander drei Schreie, die sich alsbald zu einem einzigen vereinten – um dann abrupt abzubrechen, als drei weitere Männer in den Innenhof stürzten und reglos liegen blieben.
    »Was …«, entfuhr es dem Jungen, doch Faustus gestattete sich kein Zögern, um die Hilflosigkeit seines Gegners zu genießen. Ein vierter Mann stürzte herab, und an seinem Gürtel war das Ende einer langen Strickleiter befestigt. Faustus blickte an ihr empor und sah, dass sie drei Stockwerke über ihnen auf dem Dach endete. Von hier unten aus war nicht zu sehen, was dort oben vorging, oder wer ihm so unverhofft zu Hilfe kam.
    Faustus rannte los, ergriff die Sprossen der Leiter und kletterte geschwind daran empor. Das Gewicht des Leichnams an ihrem Ende hielt sie einigermaßen gerade, was den Aufstieg erleichterte.
    Hinter seinem Rücken begann Alexander zu kreischen, hoch und schrill wie ein Eunuch, unter dessen Augen die Haremskönigin entführt wurde. Faustus blickte nur einmal kurz über die Schulter zu ihm zurück. Die Bluthand auf der weißen Brust war verlaufen, lange rote Linien führten über seinen Bauch nach unten und wurden von dem weißen Lendentuch aufgesaugt. Vor den Füßen des Borgia schlug ein Pfeil vom Dach ein und ließ ihn zurücktaumeln.
    Mit einem raschen Lächeln wandte Faustus sich wieder der Leiter zu. Er passierte den Übergang vom ersten zum zweiten Stockwerk, war bald auf Höhe des dritten. Er hörte jetzt Stimmen aus dem Garten, als Bewaffnete aus den beiden Türen in den Hof stürmten und von Alexander mit wutschnaubenden Befehlen empfangen wurden.
    Faustus hatte den Rand des Daches fast erreicht, als rings um ihn die ersten Armbrustbolzen einschlugen und kopfgroße Steinbrocken aus der Fassade brachen. Staub und Gesteinssplitter flogen umher und blendeten ihn, als er mit der Linken nach der Dachkante griff, sich die letzten Sprossen hinaufschob – und an der Rechten von zwei Händen gepackt wurde. Er geriet ins Pendeln, die Leiter machte eine halbe Drehung. Ein stählerner Bolzen bohrte sich nur wenige Daumenbreit von seinem Gesicht entfernt in eine der Holzsprossen und spaltete sie.
    »Schnell!«
    Faustus kannte die Stimme nicht, und noch immer brannten seine Augen vom Staub der splitternden Fassade. Erst als er sicher auf den kühlen Dachziegeln lag, klärte sich sein Blick. Im Osten erhellte sich der Horizont über den Dächern der Stadt, die Sonne würde bald aufgehen. Vor dem blaugelben Streifen am Himmel erhob sich eine schmale Silhouette und zerrte ungeduldig an seinem Arm.
    »Komm schon. Die werden bald hier oben sein.«
    Der Fremde sprach eine sonderbare Mischung aus Latein und dem römischen Dialekt, den auch Pamphili benutzte. Faustus brauchte nicht lange, um sich darauf einzustellen.
    Jetzt konnte er die Gestalt genauer sehen.
    Weißblondes Haar. Weiße Haut. Obwohl die Augen überschattet waren, hätte Faustus jede Wette abgeschlossen, dass sie blau waren. Der Junge hätte der Bruder des Borgia sein können.
    »Ich bin sein Zwilling«, sagte sein Retter, als hätte er die Gedanken des Doktors gelesen. »Das heißt, ich war es, als Alexander den Körper meines Bruders noch nicht für seine Zwecke benutzt hat. Aber das ist lange her.«
    »Wie ist dein Name?« Faustus ahnte die Wahrheit bereits, ehe der Junge ihm antwortete.
    »Nenn mich Spiritus.« Und mit verschmitztem Schmunzeln fügte er hinzu: »Das Sanctus heben wir uns für die Zeit auf, wenn du mich besser kennst.«
    »Aber …«
    »Nicht jetzt«, fiel ihm Spiritus ins Wort. »Wir müssen uns beeilen.«
    Wie zur Bestätigung wurde das Geschrei unten im Innenhof noch einmal lauter, dann brach es schlagartig ab, als

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