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Die neue Hoffnung der Föderation (Der Dezennienkrieg 1)

Die neue Hoffnung der Föderation (Der Dezennienkrieg 1)

Titel: Die neue Hoffnung der Föderation (Der Dezennienkrieg 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Finius
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Etienne…“ Das war das Schlimmste. Oder auch nicht. Je nachdem, wie man es sah. Der Verletzte lag wie erstarrt im Bett und konnte sich nicht mehr rühren.
    Erst als die beiden Männer den Raum verlassen hatten, konnte er begreifen. Verarbeiten, dass die gerade mitschwingende Sorge das erste Gefühl war, das der Duc ihm jemals entgegengebracht hatte. Die erste Liebe. Theodore Charles Belian d’Auvergne hatte ‚mein Sohn’ gesagt.
    Genau das brachte das Fass zum Überlaufen. Die Wucht, mit der er seine Dummheit begriff, die eigene Zukunft so aufs Spiel zu setzen, dazu noch der Schock über den Unfall an sich, die Vorstellung, womöglich ein Krüppel zu sein und die kurzzeitig wie ein Damoklesschwert über ihm hängende Enterbung… Nein, die Erkenntnis, für den stets so distanzierten Vormund auch als Kind wichtig zu sein, und nicht nur als Erbe, war endgültig zu viel.
    Er heulte wie ein Baby und war doch viel zu schwach, um sich auf die Seite zu drehen. Außerdem war sein eingegipstes rechtes Bein ans Bett gefesselt, damit er es auch ja nicht versuchte. Im Moment war er schlimmer dran als jeder Krüppel mit Ausnahme solcher, die irreparabel querschnittsgelähmt waren.
    Inmitten seines kindischen Schwächeanfalls ging die Tür auf. Das kurze Klopfen ließ ihm gerade die Zeit, sich wieder etwas zu fassen.
    „Etienne…“ Die fröhliche Stimme der Duchesse wurde von draußen hörbar, noch bevor Alexandra Belian ihre restlichen vier Kinder in den Raum hineinschob. „Deine Geschwister fragen nach dir! Sie sind in Sorge um dich und ich bin es erst! Bist du wach?“
    „Natürlich ist Etienne wach, Madame“, urteilte der achtjährige Paul nach einer raschen Musterung und schnitt eine Grimasse, als er die Tränenspuren im Gesicht seines großen Bruders bemerkte.
    „Paul!“ Die zwölfjährige Louise, die nach Belian die Zweitälteste war, knuffte den Jüngeren in die Seite, bevor dieser einen Kommentar abgeben konnte.
    „Kommt, Kinder! Etienne ist krank und ihm ist sicherlich schrecklich langweilig! Erzählt ihm etwas!“ Die Duchesse nötigte die Geschwister, sich vor dem Bett aufzustellen.
    Seine erste Schwester sah ihn nur kurz mitleidig an, was Belian mit einem ganz leichten Blinzeln antworten ließ. Er hatte selten Kontakt mit seinen Geschwistern gehabt. Nur früher, bevor er mit zehn auf die Ausbildungsanstalt gegangen war, da waren Louise und er Freunde gewesen. Danach hatten sie sich auseinander gelebt, aber soeben war ihm eingefallen, wie er mit neun versucht hatte, seiner damals fünfjährigen Schwester auf einen Baum im Garten zu helfen. Sie hatten es geschafft, aber dabei war ihr Rock zerrissen. Daraufhin hatte Bürgerin Rainaud, die vorsitzende Hausangestellte, die Duchesse informiert, und diese hatte in ihrer typischen Art reagiert. Jene, die Alexandra Belian jetzt auch so daherplappern ließ und dazu veranlasste, ihren an sich ruhebedürftigen ältesten Sohn mit der Gegenwart aller anderen Sprösslinge zu behelligen.
    „Also dieses Biest. Wenn Pfarrer Crozier nicht so darauf bestehen würde, den Antichristen nicht beim Namen zu nennen, hätte ich gesagt, der Teufel hat deinem Pferd innegewohnt, Etienne. Ich habe dir ja immer wieder prophezeit…“
    Während sich das wasserfallartige Geplapper der über alle Maßen besorgten und erleichterten Duchesse über ihn ergoss, fiel Belians Blick auf Paul. Sein Bruder war zwar erst acht Jahre alt, aber die Musterung des gebrochenen Beines konnte nur auf eine einzige Weise interpretiert werden. Genauso wie das Lächeln, als Paul dem Älteren ins Gesicht sah. Es war heimtückisch und ließ tief blicken.
    Louise biss sich kurz auf die Lippe und berührte den Patienten kurz am Arm. Natürlich hatte sie es gesehen. Nach Ansicht des Erben war seine erste Schwester viel klüger als alle drei anderen Geschwister zusammen, obwohl natürlich alle fünf befruchteten Eizellen vor der Einpflanzung jeweils sorgsam ausgewählt und hundertfach kontrolliert worden waren. Manches konnte man aber leider nicht kalkulieren. Der Charakter des zur Welt kommenden Kindes war nicht vorherbestimmbar, und in Etienne Belian reifte jäh die Erkenntnis, dass Paul ihn hasste. Einfach nur, weil der Ältere da war und damit zuerst auf die Welt gekommen. Als Erbe. Diese Stellung war jetzt in Gefahr, und eine Möglichkeit hatte sich für den sonst chancenlosen Zweitgeborenen eröffnet.
    Ob Belian in der umgekehrten Situation dieses Denkens fähig gewesen wäre, wusste er nicht. Er war von

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